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Modellversuch: Schule testet getrennten Unterricht für Mädchen und Jungen

An einer Frankfurter Hauptschule läuft ein ungewöhnlicher Modellversuch: In den Abschlussklassen werden Mädchen und Jungen getrennt unterrichtet. Die erste Erfahrungen sind positiv.

Frankfurt/Main - Das Projekt erinnert an Großmutters Zeiten, als Schüler noch Pennäler und Lehrer noch Pauker hießen. Eine Frankfurter Hauptschule trennt für die Abschlussklassen Mädchen und Jungen im Unterricht. Das Lehrpersonal erhofft sich dadurch bessere Leistungen für beide Geschlechter. Erste Erfahrungen mit dem Modell scheinen positiv.

Im vergangenen Schuljahr erreichten 17 der 23 Zehntklässler in der Frankfurter Kerschensteinerschule den Realschulabschluss. Eine gute Quote für eine Hauptschule mit 90 Prozent Ausländeranteil. Doch den Pädagogen war aufgefallen, dass fünf der sechs durchgefallenen Schüler Mädchen waren. Eine Beobachtung gegen die Statistik, denn meistens haben Mädchen in dieser Entwicklungsphase die Nase vorn.

Als Grund für die schwächelnden Mädchen machten die Lehrer die Dominanz der meist schon volljährigen Jungen in den Klassenzimmern aus. Dem Lehrpersonal war der Missstand auch deswegen aufgefallen, weil drei der Lehrerinnen zuvor an reinen Mädchenschulen unterrichtet hatten. In Absprache mit dem Frankfurter Schulamt wagte die Kerschensteinerschule von diesem Sommer an ein zunächst einjähriges Experiment: Zwei strikt nach Geschlechtern getrennte Abschlussklassen.

Geschlechterspezifische Pädagogik gefragt

Knapp drei Monate nach dem Beginn des Modellversuchs zieht Schulleiterin Sabine Bartsch eine erste Bilanz: «Die Reaktionen der Schüler sind durchweg positiv.» Anfangs hätten die Mädchen die Trennung von den Jungen noch etwas bedauert, da sie die «lustige» Interaktion mit dem männlichen Geschlecht vermisst hätten. Doch das Lernklima sei leistungsfördernder, weil Mädchen und Jungen keine Kraft mehr auf die Abgrenzung vom anderen Geschlecht verwenden müssten. «Die Jungen empfinden es als ausgesprochen angenehm, sich nicht mehr vor den Mädchen produzieren zu müssen», sagt Schulleiterin Bartsch.

Repräsentative Zahlen, die die Leistungssteigerung belegen könnten, kann die Schule bislang allerdings nicht vorweisen. Die Lehrkräfte der Kerschensteinerschule haben aber andere interessante Beobachtungen gemacht: Das Lernklima in den beiden Klassen sei völlig unterschiedlich. Während die Mädchen auf Eigenverantwortung bestünden und gefordert werden wollten, verlangten die Jungen nach elterlicher Führung und permanenter Rückmeldung über Erfolge. «Auf diese geschlechterspezifische Pädagogik waren wir gar nicht gefasst, das ist eine ganz eigene Herausforderung für unser Lehrpersonal», sagt Bartsch, die selbst die Jungenklasse in Politik unterrichtet.

Trotz des augenscheinlichen Erfolgs beim Modell der getrennten Klassen bleibt das hessische Kultusministerium zurückhaltend. «Ich würde daraus keinen generellen Trend ableiten und sehr davor warnen, die Aufhebung der Koedukation zum landesweiten Modell zu machen», sagt Ministeriumssprecher Christian Boergen. Zudem sei es noch reichlich früh, Bilanz zu ziehen. Das Schuljahr müsse zuerst abgewartet werden.

Die Vorsitzende des Landeselternbeirates, Kerstin Greis, meint, in bestimmten Phasen und Fächern könne eine Trennung durchaus positiv sein, etwa in Mathematik, wo der Zugang zum Stoff erwiesenermaßen unterschiedlich sei. Es gebe aber auch Fächer, wie Gesellschaftswissenschaften, wo der unterschiedliche Lernzugang zur Erziehung dazu gehöre. «Klassen für ein ganzes Schuljahr zu trennen, befürworten wir daher nicht», sagt Greis.

Die Modellschule will sich auch gar nicht als landesweite Vorreiterin sehen. «Es muss sich nicht jede Schule auf diesen Weg begeben, aber für uns ist dieser Zugang eine Möglichkeit zur Lösung unserer Probleme», sagt Schulleiterin Bartsch. «Wir werden das daher auf alle Fälle fortsetzen. Zunächst will sich die Schule um eine wissenschaftliche Begleitung des Projekts bemühen, eine Anfrage bei der Frankfurter Schule für Sozialpädagogik laufe bereits.

Abseits der getrennten Klassenzimmer ist Schulleiterin Bartsch noch ein weiterer Vorteil des Modells aufgefallen: «Auf dem Schulhof haben Mädchen und Jungen jetzt wieder ein tolles Verhältnis, sie freuen sich aufeinander.» (Von Oliver Teutsch, ddp)

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