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Panorama: Morddrohungen gegen eine Ramadan-Seifenoper Das jordanische Fernsehen setzt eine angeblich antiislamistische TV-Serie ab, die noch keiner sah

So sicher wie das Fastenbrechen im muslimischen Ramadan mit Sonnenuntergang beginnt, gibt es jedes Jahr Streit um eine der zahlreichen Fernsehserien, die speziell für diesen Fastenmonat produziert werden. In der Regel protestieren israelische oder jüdische Organisationen gegen eine Produktion, der sie antisemitische Inhalte vorwerfen.

So sicher wie das Fastenbrechen im muslimischen Ramadan mit Sonnenuntergang beginnt, gibt es jedes Jahr Streit um eine der zahlreichen Fernsehserien, die speziell für diesen Fastenmonat produziert werden.

In der Regel protestieren israelische oder jüdische Organisationen gegen eine Produktion, der sie antisemitische Inhalte vorwerfen. Im vergangenen Jahr war eine 26-teilige Serie, die vom Hisbollah-Sender „Al-Manar“ in Libanon ausgestrahlt wurde, der Stein des Anstoßes. Die kurzen Folgen der als „Politdrama“ präsentierten syrischen Serie zeichneten die Geschichte des Zionismus und der Gründung Israels nach. Darin kamen auch die als Fälschung entlarvten Protokolle der Weisen von Zion aus dem 19. Jahrhundert vor, welche angebliche Pläne für eine jüdische Weltherrschaft enthalten. Im Jahr 2002 wurde die ägyptische Unterhaltungsserie „Reiter ohne Pferd“ angegriffen, weil sie ebenfalls Aussagen der Protokolle enthalten sollte. Die ägyptische Regierung bezeichnete die Vorwürfe als unhaltbar, und die Serie wurde ausgestrahlt.

In diesem Jahr nun kommt die Kritik aus einer anderen Richtung – und da sie von Morddrohungen begleitet wird, führte sie tatsächlich zur Absetzung einer Ramadan-Soap-Opera. Eine islamistische Gruppe forderte die Absetzung der in Jordanien gefilmten Serie „Die Straße nach Kabul“, welche die Liebesgeschichte einer Afghanin erzählt, die sich in London in einen Araber verliebt und mit ihm in ihre Heimat zurückkehrt. Dabei wird die Geschichte Afghanistans seit der sowjetischen Besatzung Anfang der 80er Jahre und anschließend unter der Herrschaft der Taliban bis zu den Ereignissen nach dem 11. September 2001 erzählt. Die Unterdrückung der Frauen in dieser Zeit kommt dabei ebenso zur Sprache wie interne Streitigkeiten unter den Taliban-Fraktionen. Im Internet drohte die bisher unbekannte Gruppe „Mudschahedin-Brigaden von Syrien und Irak“ TV-Sendern, welche die Serie ausstrahlen, und deren Korrespondenten. „Wir werden sie treffen“, heißt es in dem Kommunique, das einen Tag vor Beginn des Ramadan veröffentlicht wurde. Auch Schauspieler, Produzenten und Kameraleute der Serie, die angeblich den Islam angreife, wurden bedroht.

Während der in Dubai ansässige Sender MBC den ersten Teil der Serie am folgenden Tag sendete, verschob das jordanische Fernsehen zunächst den Beginn der Serie, um dann ganz auf deren Ausstrahlung zu verzichten. Die in Umlauf gebrachte Begründung, die im Auftrag des katarischen Fernsehens in Jordanien produzierte Serie sei nicht fertig gestellt, überzeugt wenig. Angeblich seien nur acht der 30 Episoden fertig geworden. Doch in der Woche vor dem Ramadan hatte das jordanische Fernsehen täglich Reklame für die Serie gemacht. Offiziell hieß es schließlich, die Sendung sei auf Anweisung des Auftraggebers, des katarischen Fernsehens, aus dem Programm genommen worden.

Der Vorfall zeigt, wie groß die Macht selbst völlig unbekannter, aber gewaltbereiter islamistischer Gruppen geworden ist. Die Gruppe hat den Film nicht gesehen und warnt nur davor, dass sie alle Beteiligten verfolgen werde, „falls etwas anderes“ als die „ehrbare Realität der Taliban“ gezeigt würde. Dies kann getrost als „intellektueller Terrorismus“ bezeichnet werden – so hatten arabische Medien vor zwei Jahren die israelische Kritik an der ägyptischen Ramadan-Serie „Reiter ohne Pferd“ bezeichnet. Einen ähnlichen Aufschrei gab es in diesem Jahr nicht. Möglicherweise liegt das daran, dass islamische Zensur auch ohne Morddrohungen in der arabischen Welt weit verbreitet ist und von vielen Regimen geduldet wird, um innenpolitisch Ruhe zu haben.

Die meisten arabischen Fernsehsender zeigen während des Ramadan ihre größten Produktionen, weil Familien die Abende gemeinsam zu Hause verbringen. Auch bei „Die Straße nach Kabul“ hat die Kontroverse die Einschaltquote in die Höhe getrieben. In Katar und Saudi-Arabien ist das Afghanistan-Epos ein Straßenfeger. Da schrecken auch endlose hölzerne Dialoge langbärtiger Mudschahedin nicht ab, die über den Sinn des „Heiligen Krieges“ philosophieren.

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