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Panorama: Morgenröte aus Hannover

Miss Indonesien – deutsch ist sie, und chinesisch auch

Das TV-Interview im Hinterzimmer ist vorbei, nun geht’s zur Fußpflege. Freitagnachmittag, Taman Sari Royal Heritage Spa, ein Schönheitstempel in Jakarta: schwere Holzmöbel, unaufdringliches Licht, leise Musik. Nadine Chandrawinata hockt sich barfuß in einen Sessel. Offene Haare, lila Bluse – weil der helle Rüschenrock im Sitzen etwas hochrutscht, legt sie sich ein Handtuch über die Knie. Nadine Chandrawinata streckt die Beine aus. Eine junge Masseurin schnappt sich den linken Fuß und cremt ihn ein. „Früher bin ich nur einmal pro Woche in einen Schönheitssalon gegangen“, meint Nadine, „seit ich gewonnen habe, bin ich täglich hier.“ Bis Mitte des Jahres war die 21-Jährige Model und Schauspielerin. Doch dann gewann Nadine den Titel Miss Indonesien. Nun ist sie berühmt. Jedenfalls in Indonesien. In Deutschland kennt sie kaum jemand. Dabei kommt Nadine aus Hannover. Sie ist also gewissermaßen auch eine Deutsche, aber eigentlich auch eine Chinesin. Aber in erster Linie ist sie Miss Indonesien.

Sie war mit ihren 175 Zentimetern die größte, und sie war mit Abstand die schönste Frau auf der Bühne. Aber die Jury fragte, wofür Wangari Maathai 2004 den Friedensnobelpreis bekam. Nadine stottert und redet über alles mögliche, nur nicht über Umweltschutz in Afrika. Unruhe im Publikum. Zum Glück noch eine Frage: wahre Freundschaft? Nadine spricht von Licht und Schatten. „Wahre Freunde sind in guten und schlechten Zeiten beieinander. Sie sind mehr als ein Schatten. Der verschwindet, wenn es dunkel wird. Ein wahrer Freund nicht.“ Erleichtert strahlende Jurymitglieder, Sympathie-Seufzer aus dem Publikum – ein paar Minuten später klemmt in Nadines Haar ein Silberkrönchen.

Die Masseurin ist zu Nadines Wade übergegangen. „In Deutschland gefallen mir die alten Gebäude, vor allem Altstadt und Rathaus in Hannover.“ Nadines Vater Andy, ein Indonesier mit chinesischen Vorfahren, war 1972 zum Studieren nach Hannover gezogen. Dort lernte er die Deutsche Elfriede Johanna Fortmann kennen. „In der Disco“, sagt Andy. „Es war Liebe auf den ersten Blick. Seitdem sind wir glücklich zusammen.“ Diplomingenieur Andy fand Arbeit, nach der Hochzeit hatten die Chandrawinatas eine Wohnung in der Celler Straße in Hannovers Innenstadt. 1984 kam Nadine, drei Jahre später Zwillingsjungs. Kurz danach gingen alle nach Indonesien, wo die Wirtschaft boomte.

In Jakarta rannte die kleine Nadine heulend aus dem Kindergarten, weil sie niemanden verstand. Sie konnte hauptsächlich Deutsch. Heute ist Indonesisch ihre erste Sprache. Und sie ist so patriotisch wie alle Indonesier. „Ich möchte, dass die Welt die vielen guten Seiten meines Landes kennen lernt und nicht nur Terrormeldungen hört. Wir haben so viele schöne Inseln, aber nur Bali ist berühmt.“

Miss Indonesien schwärmt von Apfelkuchen, Bratwurst und Rouladen. Miss Indonesien schwärmt von Schnee, von der Weihnachtszeit und von der Altstadt und dem Rathaus in Hannover. Miss Indonesien hat viel zu tun: täglich Interviews, Besuche bei Kindern in Armutsvierteln, Auftritte bei der Polizeikampagne gegen Drogen, Reisen im In- und ins Ausland. Gerade war sie in Japan. „Claudia Schiffer ist mein Vorbild, Heidi Klum mag ich auch“, sagt Nadine. Wettbewerb Miss Universe 2006? „Ich mache mit“, sagt Nadine ohne Zögern. Fragt sich nur als was. Als schönste Deutsche, als schönste Indonesierin, als schönste Chinesin? Miss World wäre ein guter Titel.

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