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Platz für 19.224 Container. Die MSC Oscar soll am Samstag auf ihrer Jungfernfahrt den Jade Weser Port in Wilhelmshaven anlaufen.

© MSC official images

MSC Oscar: Ein Riese kommt nach Deutschland

Containerschiffe werden größer und größer. Der neue Rekordhalter MSC Oscar erreicht jetzt Deutschland.

Als im Jahr 2006 das erste Schiff der Emma-Maersk-Klasse die Werft in Odense verließ, war eine Größenklasse erreicht, die man bis dahin für kaum denkbar gehalten hatte: 398 Meter lang und 56,4 Meter breit sind die Giganten, auf die 14770 Standardcontainer von sechs Metern Länge passen. Sechs Jahre lang waren sie die größten Containerschiffe der Welt. Fahrrinnen mussten für sie ausgebaggert, Liegeplätze erweitert, Terminals ertüchtigt und Verladebrücken geordert werden.

Mit Blick auf diese Schiffe wurde sogar ein ganzer Hafen projektiert und gebaut: der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven. Die Emma-Maersk-Klasse ist das Maß aller Dinge gewesen. Für lange Zeit. Inzwischen heißt das größte Containerschiff der Welt MSC Oscar. Es hat Platz für ganze 19224 Container und soll noch diese Woche Deutschland erreichen. Am Samstag soll es dann den Jade Weser Port in Wilhelmshaven anlaufen. Schon bevor Schiffe der Emma-Maersk-Klasse gebaut wurden, hatte es an Planspielen für den Bau von Containerfrachtern der Superlative nicht gemangelt.

Nur gebaut wurden diese Schiffe nie. Als 1999 Professor Nico Wijnholst von der Technischen Universität Delft die Studie für ein Schiff mit 400 Metern Länge, 60 Metern Breite bei 21 Metern Tiefgang präsentierte, wurde er für seine Vision belächelt. Doch aus der Spielerei wurde schließlich Realität. Mitten in der Weltschifffahrtskrise wurde die Emma-Klasse von Platz eins verdrängt; die Grenze des technisch Machbaren war eben doch noch nicht erreicht. Obwohl von den Abmessungen etwas kleiner, trumpfte die Marco-Polo- Klasse der französischen Reederei CGM CMA mit einem Transportvolumen für 16020 Container auf – aneinandergereiht würden sie eine Strecke von 116 Kilometern ergeben.

Ihre Ankunft in Bremerhaven wurde live im Fernsehen übertragen. Und zur Taufe des Schwesterschiffes Alexander von Humboldt im Mai 2013 wurde sogar ein spektakuläres Feuerwerk gezündet. Viel Ehre für ein gewaltiges Schiff, über dessen Ästhetik in Schiffsforen allerdings kräftig abgelästert wurde: „Sie ist im Rumpf ein eckiger Kasten, dem man vorne eine Spitze und hinten eine Schraube verpasst hat, schwerfällig und zäh. Eine Kistenkiste halt.“ Doch in der Containerlogistik geht es nicht um Schönheit, stattdessen bestimmt in der vom Strukturwandel heftig erfassten Branche ein schier unbändiger Drang zur Größe die Dynamik.

So viel Schub wie zehn Airbus A380

Die Marco Polo jedenfalls ist 36 Meter länger als die beiden größten Kreuzfahrtschiffe der Welt, länger als vier Fußballfelder oder der Eiffelturm. Der Wärtsila Zweitakt-Dieselmotor bringt mit 109000 PS die Schubleistung von zehn Airbus A380. Dennoch: Ihr Platz als Rekordhalter in der Stahlkisten-Schifffahrt hielt nur wenige Monate. Denn weiter ging es Schlag auf Schlag, oder vielleicht besser: Container auf Container. Seit 2013 bringt die weltgrößte Reederei Maersk die Triple-E-Klasse in Fahrt: Jedes der 20 Schiffe dieser Baureihe verfügt über ein Stauvolumen von 18270 Containern.

Fünf Meter breiter als die Marco-Polo-Schiffe lassen sich so zwei Reihen mehr Container nebeneinander stapeln. Eine zusätzliche Steigerung der Stellplatzkapazität wird durch ein Verschieben des Deckshauses nach vorn erreicht, so dass sich die Kommandobrücke am Ende des ersten Drittels und nicht mehr im hinteren Teil des Schiffes befindet. So wird bei Einhaltung des vorgeschriebenen 500-Meter-Sichtstrahls in Vorausrichtung mehr Decksbeladung ermöglicht. In Deutschland kam ein Schiff der Klasse erstmals am 18. August 2013 vorbei – die Maersk Mc-Kinney Moeller machte in Bremerhaven Station.

Doch das war längst nicht alles. Am 13. Januar 2015 machte die CSCL Globe am Terminal Eurogate in Hamburg fest, nachdem das Dickschiff mühselig mit Unterstützung von gleich vier Schleppern in der Elbe gedreht und rückwärts im Waltershofer Hafen eingeparkt worden war. Das Schiff verfügt über 19100 Stellplätze für Container und kann für sich in Anspruch nehmen, mit 399,67 Metern das längste der Welt zu sein. Als wohl vorläufig letzter Höhepunkt des Stellplatz-Gigantismus gilt nun die MSC Oscar mit 19224 Stellplätzen.

117 Millionen Sneakers

Sie ist die erste einer Baureihe von drei Mega-Carriern im Dienste der in Genf ansässigen Rederei Mediterranean Shipping Company (MSC). Die MSC Oscar wird aller Voraussicht nach ihre Spitzenposition nur drei Jahre halten können. Wie die japanische Werft Imbari Shipbuilding Ende Januar 2015 bekannt gab, hat sie sich den Auftrag für elf Ultra-Large Container Carriers gesichert. Bei etwa 400 Metern Länge und 59 Metern Breite sollen diese rund 165 Millionen US-Dollar teuren Boliden über mehr als 20000 Stellplätze verfügen und ab Frühjahr 2018 zur Auslieferung kommen. Innerhalb von nur zwei Jahren ist die Zahl der Stellplätze in der Containerschifffahrt um kaum vorstellbare 30 Prozent gestiegen. Aber was heißt das schon?

Zwar wird in der Containerschifffahrt Größe in Stellplatzkapazität bemessen, doch es geht auch um Tragfähigkeit. Deshalb sind Angaben darüber, was auf diesen Schiffen so alles transportiert werden kann, nicht immer ganz korrekt. 117 Millionen Sneakers oder 18000 Autos oder 900 Millionen Dosen Hundefutter zum Beispiel. Aber derart voll beladen würde die Ware nie ihren Zielhafen erreichen: Die Schiffe würden untergehen. Fakt ist: Die größte Anzahl Container, die jemals von einem Schiff über die Weltmeere geschippert wurde, waren jene 18168, mit denen die Maersk Mc-Kinney Moeller am 28. Januar 2015 den spanischen Hafen Algeciras auf den Weg nach Tanjung Pelepas in Malaysia verließ.

In Algecerias habe man mehr als ein Jahr Vorbereitung gebraucht, um den Frachter nahezu voll beladen abfertigen zu können, sagte Carlos Arias, der bei Maersk für die Linie Südeuropa verantwortlich ist. „Die vier vorhandenen Kräne mussten erweitert werden, außerdem wurden vier neue Triple-E-Kräne geliefert.“ Hier deutet sich bereits an, dass das Ende des Größenwettstreits wohl weniger durch die Möglichkeiten im Schiffbau gesetzt wird als durch die Möglichkeiten der Hafenanlagen oder der Wassertiefen der Schifffahrtswege.

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