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Panorama: Mysteriöser Brummton: Von Hysterie spricht offiziell noch niemand

Täglich werden es mehr, die sich als verzweifelte Opfer mysteriöser nächtlicher Dröhnattacken offenbaren - ein Massenphänomen wie aus einem Science-Fiction-Film. Mittlerweile sind es fast 300 Menschen allein in Baden-Württemberg, die sich einhellig über ein penetrantes nächtliches Geräusch beschweren, das sie um den Schlaf und oft auch um die Gesundheit bringt.

Täglich werden es mehr, die sich als verzweifelte Opfer mysteriöser nächtlicher Dröhnattacken offenbaren - ein Massenphänomen wie aus einem Science-Fiction-Film. Mittlerweile sind es fast 300 Menschen allein in Baden-Württemberg, die sich einhellig über ein penetrantes nächtliches Geräusch beschweren, das sie um den Schlaf und oft auch um die Gesundheit bringt. Die Liste ihrer Beschwerden ist lang: Herzrasen, Bluthochdruck, Schweißausbrüche, Kribbeln in den Beinen sind nur einige der Symptome, die ihnen die Nacht zur Hölle werden lassen.

"Wir haben eine wahre Flut von Beschwerdeführern", berichtet Michaela Preuß, Sprecherin des Stuttgarter Umweltministeriums. Auf ihrem Schreibtisch stapeln sich weit über 200 Briefe aus allen Teilen des Landes. Ob in Stuttgart, Freiburg , Karlsruhe, auf der Ostalb oder im Donautal, überall das Gleiche: Menschen protestieren gegen einen Horrorton, der sie zum Wahnsinn treibt. Eine "Interessensgemeinschaft zur Aufklärung des Brummtons" in Gäufelden Tailfingen im Landkreis Böblingen macht Druck. Sie hat Anzeige erstattet. Bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft läuft ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen unbekannt, bestätigt Pressestaatsanwalt Christof Kleinert. "Messergebnisse und Unterlagen des Umweltministeriums sind angefordert, wenn sie vorliegen, werden wir prüfen, ob und welche Ermittlungsschritte unternommen werden."

Von Hysterie spricht offiziell niemand, doch die Landesregierung wird nervös. Fachleute der Gewerbeaufsicht, der Landesanstalt für Umweltschutz (LfU) in Karlsruhe, des Umwelt- und des Sozialministeriums machen gegen den Ton-Terror mobil. Stuttgart rüstet zum großen Lauschangriff. Umfangreiche Schallmessungen in Wohnungen von Brummtonopfern, ärztliche Reihenuntersuchungen und eine Fragebogenaktion sollen das Geheimnis um die nächtliche Lärmbelästigung lüften. Die Aktion Brummton wird voraussichtlich einige Monate dauern. Doch die Sprecherin des Umweltministeriums warnt vor übertriebenen Hoffnungen: "Die Messungen und Untersuchungen sind weder einfach, noch ist rasch mit einem Ergebnis zu rechnen." Tatsächlich waren jüngste Schallmessungen der Stuttgarter Gewerbeaufsicht erfolglos verlaufen. Woher das geheimnisvolle nächtliche Rauschen kommt, weiß niemand. Nachforschungen bei der Wasser-, Gas- und Stromversorgung verliefen ergebnislos. Der nächtliche Geisterlärm, dessen Intensität offenbar variiert, ist auch in Gebieten ohne jeglichen Mobilfunkempfang zu hören.

Das Ministerium geht davon aus, dass es sich um einen Ton im Frequenzbereich unter 20 Hertz handelt, den nur Menschen mit extrem empfindlichen Gehör wahrnehmen. Deshalb gilt das Hauptaugenmerk sehr tiefen Tönen. Einer der Ersten, die gegen den Tonterror zu Felde zogen ist Achim Häußer. Seine Geschichte ist typisch für das Schicksal der Brummtonopfer. Vor drei Jahren zieht der 38-jährige Großhandelskaufmann mit seiner Familie aufs Land, um Ruhe zu haben. Doch aus dem Traum vom idyllischen Landleben in dem Dörfchen Tailfingen wird ein Alptraum. Das Brummen lässt ihn zunächst an der Funktionstüchtigkeit seines Gefrierschrankes und dann an sich selber zweifeln. Doch die Angst, als Spinner abgestempelt zu werden, treibt ihn nicht lange um. Seit dem ersten Dröhnerlebnis im August 1999 jagen Häußer und seine Frau Carmen Mischke, die angesichts der Brummattacken über Herzrasen und eine Schwächung des Immunsystems klagt, das seltsame Phantom-Geräusch.

Die von dem Ehepaar ins Leben gerufene Interessensgemeinschaft Brummton zählt schon über 150 Mitglieder, Menschen, die sich nicht länger von dem lästigen Dauerton fertig machen lassen wollen. Die Ursachenforschung ist aufwändig Wissenschaftler gehen bei dem Ehepaar ein und aus, Physiker, Geologen und Baubiologen geben sich die Klinke in die Hand. Bisher mit mäßigem Erfolg. Der Ursache des Dröhnens sind sie keine Spur näher gekommen. "Je mehr wir herausfinden, je mysteriöser wird das Ganze".

Joa Schmid

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