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Brummendes Weihnachtsgeschäft. Smartphones, Tablets, Flachbildschirme und andere technische Geräte sind der Renner in Kaufhäusern, Geschäften und Onlineshops. Dass sie nicht sehr lange in Benutzung sind, hat einen ganz speziellen Grund. Foto: dpa

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Mythos "geplante Obsoleszenz": Haltbarkeit gibt es nicht geschenkt

Haben technische Geräte ein eingebautes Verfallsdatum? Verbraucherschützer und Wissenschaftler nehmen die Industrie in Schutz.

Wer hat das nicht schon einmal erlebt: Ein neu gekauftes Gerät funktioniert tadellos, gibt aber kurz nach Ablauf der Garantiezeit seinen Geist auf. Bald steuert der Bekanntenkreis ähnliche Beispiele bei. Da entsteht rasch ein Verdacht. Bauen manche Hersteller Geräte mit einem eingeplanten Verfall, der kurz nach der Garantiezeit liegt? Dafür gibt es sogar einen Fachbegriff: „geplante Obsoleszenz“. Jetzt, da zum Weihnachtsfest wieder viele Geräte verschenkt werden, taucht diese Frage wieder auf. Fast erwartungsgemäß streitet zum Beispiel der Zentralverband der Elektroindustrie solches Verhalten strikt ab. Überraschend aber ist die Unterstützung, die von eher unerwarteter Seite kommt: „Bei unseren Untersuchungen konnten wir bisher keine geplante Obsoleszenz feststellen“, erklärt Jürgen Nadler, der bei der Stiftung Warentest in Berlin wissenschaftlicher Leiter des Multimediateams ist.

Die einzigen handfesten Hinweise auf ein solches gewolltes technisches Verfallsdatum stammen dann auch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Legendär ist der Nylonstrumpf, der – geschäftsschädigend – zunächst keine Laufmaschen bekam. Die sollten später dazukommen.

Damals sollen auch Hersteller von Glühlampen die Betriebsdauer nach internationalen Absprachen auf höchstens tausend Stunden begrenzt haben. Technisch war diese Vorgabe einfach umzusetzen. Das Licht entsteht beim Aufheizen eines dünnen Metalldrahts. Dabei verdampfen Metallatome. Irgendwann sind so viele Atome verdampft, dass der Draht an der dünnsten Stelle reißt. „Ein gute Glühwendelkonstruktion mit entsprechender Aufhängung verringert die mechanische Belastung durch Erschütterungen und verhindert so ein frühes Reißen“, erklärt Jürgen Nadler von der Stiftung Warentest. Je höher die elektrische Spannung, je dünner der Faden und je schlechter die Aufhängung, umso häufiger musste man also eine neue Birne kaufen.

DDR-Glühlampen standen in dem Ruf, unverwüstlich zu sein. Dass es definitiv anders geht, beweist eine Kohlenfadenlampe, die seit 1901 in einer Feuerwache in Kalifornien mit nur kurzen Unterbrechungen bei Stromausfällen oder Umzügen pausenlos glimmt – am 18. Juni 2011 wurde ihr 110. Geburtstag groß gefeiert.

Während die Glühlampe langsam aber sicher zum Relikt einer guten alten Zeit wird, entscheiden heute oft elektronische Bauteile über die Lebensdauer von Handys, Flachbildfernsehern oder Notebooks und PC. Solche Geräte testet Jürgen Nadler und findet bei ihnen tatsächlich Obsoleszenz. Allerdings nicht bei seinen technischen Tests, sondern viel häufiger beim Blick in den Alltag der Konsumenten. „Stand ein Röhrenfernseher im Durchschnitt noch zehn Jahre im Wohnzimmer, bevor er seine nächste Verwendung im Kinderzimmer fand, schafft der Flachbildschirm heute nur noch 7,3 Jahre“, sagt der Experte unter Berufung auf Statistiken. Der Grund für diesen schnelleren Austausch liegt aber selten in technischen Defekten, sondern beim technologischen Fortschritt. Der Röhrenmonitor funktioniert ja noch, aber der neue Flachbildschirm ist viel besser und sieht besser aus. Der Konsument wirft das alte Gerät weg, obwohl es noch funktioniert. Und bald wird der Flachbildschirm durch einen noch flacheren abgelöst. Das Gleiche gilt für viele andere Geräte von der hervorragend funktionierenden analogen Kamera bis zum Handy, denen bessere digitale Geräte oder ein Smartphone ein vorzeitiges Ende bescherten.

Ausfälle gibt es - aber die sind nicht geplant, meint der Experte.

„Neben dieser psychologischen Obsoleszenz gibt es auch noch eine technologische“, berichtet Jürgen Nadler weiter. Als Beispiel nennt er seinen Nadeldrucker, der vermutlich noch hervorragend funktioniert. Nur gibt es längst keine Treiber mehr, die eine Kommunikation mit dem neuen Computer erlauben. Dann muss eben ein neuer Drucker her, obwohl es der alte noch lange tun würde.

Aus ähnlichen Gründen hält er auch mögliche Langzeittests für solche elektronischen Geräte für Blödsinn. „Was soll ein Test auf zehn Jahre Haltbarkeit, wenn bei der Veröffentlichung schon der Nachfolger im Geschäft liegt?“, fragt sich Jürgen Nadler. Langlebige Geräte wie zum Beispiel Waschmaschinen müssen bei der Stiftung Warentest dagegen einen Dauertest absolvieren. Da gibt es dann auch ab und zu Ausfälle. „Allerdings sind die anscheinend nicht geplant, sondern eher mangelnder Sorgfalt bei der Konstruktion und Herstellung geschuldet“, vermutet Jürgen Nadler. Und viele Waschmaschinen laufen dann auch klaglos zehn Jahre und länger, während die Garantie bereits nach zwei Jahren endet.

Wie es zu den früheren Ausfällen kommen kann, erklärt Randolf Hanke, der an der Würzburger Universität das Institut für Röntgenmikroskopie leitet und gleichzeitig in Fürth als Abteilungsleiter das Entwicklungszentrum Röntgentechnik im Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS führt. Sein Arbeitsgebiet ist die Qualitätskontrolle von Elektronik, Bauteilen aus Gusseisen und anderen Geräten. „Solche Bauteile kann man mit hundertprozentiger Sicherheit kontrollieren. Bei der Steuerelektronik von Airbags oder in Flugzeugen wird das auch gemacht“, erklärt der Ingenieur. Allerdings hat ein einzelnes Bauteil oft einige hundert, vielleicht mehr als tausend Lötstellen, die alle auf Fehler kontrolliert werden müssten. Bei Massenprodukten sollte ein solcher Test nur wenige Sekunden dauern, eine Prüfmaschine kostet dann leicht eine halbe Million Euro. Die aber würden den Laptop oder das Smartphone verteuern – während die Verbraucher bei diesen Geräten sinkende Preise erwarten. Also verzichtet der Hersteller auf die teure Kontrolle und verkauft Geräte, von denen viele noch hervorragend funktionieren, wenn der Besitzer sich bereits nach einer neuen, besseren, hipperen Alternative umschaut. Die wenigen Ausfälle dagegen schüren die Gerüchte um eine geplante Obsoleszenz, auch wenn die Fehlerquoten sinkenden Preisen geschuldet sind.

Allerdings denken Hersteller auch darüber nach, ihre Bauteile so gut zu produzieren, wie es die erwartete Lebensdauer des Gesamtprodukts erfordert. So wandert ein PC im Durchschnitt nach sechs oder sieben Jahren auf den Elektronikschrott, ein Auto erlebt nur selten seinen 20. Geburtstag. Stoßdämpfer mit einer Lebenserwartung von hundert Jahren oder PC-Bauteile, die zwei oder drei Jahrzehnte durchhalten, wären unsinnig.

„Bei einigen Geräten gibt es durchaus auch Schwachstellen, für die es noch keine oder zumindest keine bezahlbare Alternative gibt“, erzählt Fraunhofer-Forscher Randolf Hanke. Als Beispiel nennt er die Kabelverbindungen zwischen Gerät und Bildschirm eines Laptops, die bei jedem Aufklappen stark belastet werden. „Da arbeitet man an besseren Materialien“, erklärt er.

Doppelte Haltbarkeit bedeutet manchmal mehr als einen doppelten Preis. Das lohnt sich wiederum nur bei teuren Qualitätsgeräten. Ein Beispiel sind Alufelgen für Autos. Käufer billiger Autos könnten langlebige Alufelgen haben, aber dafür wollen sie nicht den Preis zahlen. So sind es letztlich auch die Kunden, die darüber entscheiden, wie lange ihr Gerät halten soll.

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