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Die Nashörner Bruno (links) und Gracie liegen im Zoo von Thoiry in ihrem Gehege. Ein Artgenosse von ihnen ist in dem französischen Zoo erschossen worden.

© Christophe Ena/AP/dpa

Nach brutaler Tier-Tötung: Das Nashorn ohne Horn

Nachdem in einem französischen Zoo ein Nashorn getötet worden war, um an das wertvolle Horn zu gelangen, reagieren Tierparks drastisch: Sie schneiden den Tieren die Hörner ab.

Ein Überfall in der Nähe von Paris schockiert die Tierfreunde. Unbekannte waren Anfang des Monats nachts in den Tierpark Thoiry eingebrochen und hatten ein Nashorn getötet. Aus Angst vor weiteren Attacken kürzten Tierparks in Tschechien und Belgien nun die Hörner ihrer Rhinos. Auch in Deutschland löste der Vorfall in Frankreich Entsetzen aus. Naturschützer fordern einen besseren Schutz für die Tiere.

Die Täter in Thoiry gingen mit äußerster Brutalität vor. Mit drei Kugeln hatten sie dem Nashorn Vince in den Kopf geschossen, dann trennten sie ihm mit einer Kettensäge das Horn ab. Vince war ein weißes Nashorn, eine Rasse, die vom Aussterben bedroht ist. Seit Jahren schon ist die Wilderei ein ernstes Problem. Auf dem asiatischen Schwarzmarkt ist das Horn mehr wert als Gold, das kriminelle Geschäft der Nashorn-Mafia boomt. Bis zu 60.000 Euro werden pro Kilogramm gezahlt.

In China und Vietnam ist das Horn besonders begehrt, weil ihm dort heilende Kräfte zugesprochen werden. Das Wundermittel soll den Krebs besiegen und die männliche Potenz stärken. Allerdings besteht das Horn aus Keratin, dem gleichen Material wie menschliche Fingernägel.

Früher hatte es die Nashorn-Mafia in Europa nur auf Präparate abgesehen. Aus Zoologischen Museen oder Ausstellungen verschwanden Dutzende Hörner, unter anderem in Hamburg, Gifhorn, Offenburg und Bad Säckingen. „Ein Vorfall wie im Zoo Thoiry war bis vor Kurzem undenkbar“, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. Es sei das erste Mal, dass in Europa ein Tier im Zoo getötet wurde. Allerdings hätten in den vergangenen Jahren auch die Tierdiebstähle, insbesondere von geschützten Arten wie Affen und Vögeln, deutlich zugenommen, sagt die Sprecherin.

Erfahrungen aus afrikanischen Nationalparks hätten gezeigt, dass es eine der wenigen wirksamen Maßnahmen sei, um Nashörner zu schützen. Deshalb griff man nun auch in Tschechien im Tierpark Dvur Kralove zu diesem Mittel. „Ein Nashorn ohne Horn ist immer noch besser als ein totes Nashorn“, erklärt die Sprecherin des Parks. Die Kürzung sei für die Tiere schmerzlos, hieß es. Das Horn wachse ständig nach und könne verhältnismäßig einfach gekürzt werden. Je nach Entwicklung könnten die Hörner von Zeit zu Zeit erneut gekürzt werden.

Deutsche Zoos wollen die Tiere nicht verstümmeln

Wie groß die Gefahr ist, dass Wilderer auch in Deutschland zuschlagen, kann der Deutsche Tierschutzbund nicht abschätzen. Die drastische Maßnahme, die Hörner abzuschneiden, sieht man jedoch kritisch. „Die Tiere müssen hierfür narkotisiert werden, was eine hohe Belastung darstellen kann“, sagt Sprecherin Schmitz. In freier Wildbahn sei dies noch akzeptabel, da die Nashörner angesichts der Wilderei einer großen Bedrohung ausgesetzt seien. Zoos hätten jedoch die Verpflichtung, ihre Tiere selbst zu schützen. „In der heutigen Zeit stehen ausreichend technische Hilfsmittel zur Verfügung, um ein etwaiges Risiko zu minimieren“, sagt Schmitz. „Dafür bedarf es keiner Manipulation am Tier, auch wenn dessen Schutz als Begründung angeführt wird.“

Dieser Ansicht sind auch eine Reihe deutscher Tierparks. Eine Kürzung der Hörner käme nicht infrage, weil „das Horn für die Tiere eine biologische Funktion in den Auseinandersetzungen vor der Paarung hat“, erklärt eine Sprecherin des Berliner Zoos. Das Problem der Wilderei sei zudem bereits seit mehr als 20 Jahren bekannt. Aus aktuellem Anlass sollen deshalb nur die bereits bestehenden Sicherheitsvorkehrungen überprüft und falls nötig angepasst werden.

Auch in Hannover und Leipzig will man den Tieren ihre Hörner lassen. Die Sicherheitsstandards sollen aber verschärft werden. Wachmänner in Hannover sollen öfter ihre Runden drehen. Zudem werden Sicherheitstüren und -gitter zum Schutz der Nashörner eingesetzt.

Von den Tätern gibt es noch keine Spur

Die Ermittlungen in Paris um den erschossenen Nashornbullen Vince laufen derzeit auf Hochtouren. Doch noch gibt es keine wirkliche Spur. Möglicherweise ist Vince’ Horn bereits auf dem Weg nach Asien, wenn es nicht sogar schon verkauft wurde. Was den Ermittlern die Arbeit erschwert, ist die Tatsache, dass es noch keine Studie zur Totenstarre von Nashörnern gibt. So fällt es dem zehnköpfigen Ermittlerteam schwer, den genauen Todeszeitpunkt in der Nacht zu bestimmen. „Wir behandeln den Fall, als ob es um einen ermordeten Menschen ginge“, sagt die leitende Ermittlerin in Paris, die ihren Namen aus Sicherheitsgründen nicht nennen will.

Nur die früheren Gehegegenossen des toten Nashorns bekommen von der ganzen Aufregung nichts mit. Die 37 Jahre alte Rhinozeros-Dame Gracie und der fünfjährige Bulle Bruno zeigten sich gewohnt dickhäutig, sagt Tierparkchef Thierry Duget: „Sie wirken nicht gestresst, und es geht ihnen gut.“

Vivian Kübler

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