zum Hauptinhalt
Thomas Drach braust am Montag um 6 Uhr 30 im Wagen seines Anwalts davon.

© dpa

Nach der Freilassung von Thomas Drach: Die Jagd auf das Reemtsma-Lösegeld ist eröffnet

Thomas Drach, der Entführer des Millionenerben Jan Philipp Reemtsma, ist nach seiner Freilassung mit dem Auto davon gefahren - aber wohin? Detektive, Fahnder und Kriminelle sind ihm auf den Fersen. Sie hoffen auf den großen Coup. Wird Drach sie zum Lösegeld führen?

Es war noch dunkel, als sich in der Hamburger Haftanstalt Fuhlsbüttel das Tor öffnet. Ein BMW-Cabrio der 6er-Baureihe fährt hinaus, am Steuer Anwalt Helfried Roubicek aus der Nähe von Bad Doberan. Auf dem Beifahrersitz ist Thomas Drach zu sehen, der Entführer des Millionenerben und Wissenschaftlers Jan Philipp Reemtsma. Er hat seine Strafe komplett abgesessen und ist jetzt ein freier Mann. Zielstrebig fahren die beiden davon, verfolgt von Reportern. Auf einem Rastplatz in Niedersachsen wechselte der Freigelassene laut „Bild“ das Fahrzeug und bestieg als Beifahrer einen schwarzen Seat eines anderen Chauffeurs, der mit ihm die Fahrt mit für die Öffentlichkeit unbekanntem Ziel fortsetzte.

Thomas Drach besitzt keinen Reisepass, er kann Europa deshalb nicht verlassen

Die Jagd nach dem versteckten Lösegeld hat begonnen. Nach Ansicht des Kriminologen Christian Pfeiffer dürfte Thomas Drach derzeit einer der am meisten überwachten Personen sein. Reemtsma hat eine Detektei beauftragt, auch für die Behörden mehrerer Länder ist der Fall nicht zu Ende, bis das Lösegeld gefunden ist. Beobachter mutmaßten, dass Drach sich auf den Weg in die Niederlande machen würde. Dem Vernehmen nach hat Drach derzeit nur Personalausweis-Ersatzpapiere, jedoch keinen Reisepass. Das würde ihn hindern, Europa zu verlassen. Mit einem Personalausweis kann er sich nur innerhalb des Schengen-Raums bewegen. Da er ein freier Mann ist, darf er ins Ausland reisen.

Im Ausland muss Thomas Drach keine Fußfessel tragen, sie wurde ihm gar nicht erst angelegt

Die in Hamburg in der Vorwoche richterlich angeordnete Weisung, eine Fußfessel anzulegen, wurde noch nicht vollzogen. Ein Behördensprecher sagte, dies Erfolge immer erst kurz nach der Haftentlassung. Die Auflage gelte allerdings nur für einen Aufenthalt in Deutschland. Bundesweit tragen derzeit knapp 70 Haftentlassene solch ein elektronisches Ortungssendegerät, das von einer im hessischen Bad Vilbel angesiedelten zentralen Überwachungsstelle aus beobachtet wird.

Von den seinerzeit bei der 33-tägigen Entführung gezahlten 30 Millionen Mark, der größten jemals in Deutschland aufgebrachten Lösegeldsumme, sind bis heute acht Millionen Schweizer Franken nicht aufgetaucht. Offiziell hat der nahe Köln aufgewachsene Drach keinerlei Vermögen. Er bekommt in den ersten vier Wochen auf freiem Fuß ein Überbrückungsgeld von rund 1800 Euro.

Jüngst bestätigte die Schweizer Bundesstaatsanwaltschaft, dass sie im Zusammenhang mit den Millionen aus der Entführung ein neues Strafverfahren eingeleitet hat. Medienberichten zufolge soll ein Teil der damaligen Beute über eine Schweizer Strohfirma in ein Bordell in Frankfurt am Main investiert worden sein.

Jan Philipp Reemtsma hat Detektive beauftragt

Eine Schlüsselfigur könnte Thomas Drachs Bruder Lutz sein. Aus dem Gefängnis heraus hatte sich Drach in den vergangenen Jahren mit seinem Bruder eine bizarre Fehde geliefert. Wegen versuchter Anstiftung zur Erpressung verurteilte ihn das Hamburger Landgericht deshalb 2011 zu 15 Monaten Haft, was seine eigentlich bereits für 2012 geplante Haftentlassung bis jetzt verzögert hatte. Demnach hatte Drach in Briefen aus der Zelle versucht, seine Mutter und einen Bekannten auf seinen Bruder „anzusetzen“, weil dieser ihm angeblich 30 Millionen Euro schulde. Sein Bruder war ebenfalls an der Reemtsma-Entführung beteiligt und wegen Geldwäsche von Teilen der Beute zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Er kam aber bereits 2009 wieder frei. Derzeit sitzt er wegen eines anderen Deliktes in Haft. Dort ist er immerhin vor den Nachstellungen seiner Bruders sicher. Der notorische Schwerverbrecher Thomas Drach gilt in Polizei- und Sicherheitskreisen auch weiterhin als brandgefährlich. Fast die Hälfte seines Lebens hat er im Gefängnis verbracht und alle Angebote zur Resozialisierung ausgeschlagen. Stattdessen kultivierte er in der Öffentlichkeit immer wieder die Pose des Gesetzlosen.

Am gefährlichsten für Thomas Drach dürften andere Kriminelle sein

„Es ist ein störender Gedanke, dass er möglicherweise von dem Geld, was er auf die Seite gebracht hatte, sich ein gutes Leben machen kann“, sagte sein Opfer Reemtsma kürzlich im Radiosender NDR Info. „Solche Verbrechen sollten keine Erfolge sein.“ Reemtsma hofft, dass sein Entführer auch nach dem Gefängnis kein schönes Leben führen kann. „So sicher lebt er ja nicht mit dem Wissen anderer Leute, dass er über viel Geld verfügt.“

Dieter Langendörfer, der ehemalige Leiter der Kripo-Sonderkommission, die Drach in den 90er Jahren verfolgte, sieht das ähnlich. Er vermutet, dass neben Reemtsmas Detektiven auch andere hinter dem Geld her sein werden, „also Kriminelle, das kann ich mir gut vorstellen“, sagte Langendörfer dem NDR. „Ich denke, dass von dieser Gesellschaft von Kriminellen, die ihn eventuell fragen, wo das Geld ist, eine wesentlich größere Gefahr für ihn ausgeht als von anderen, weil die weder an Recht noch an Gesetz gebunden sind.“ mit dpa

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false