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Der Olympia-Park in Rio. Die Spiele haben der Stadt nichts gebracht - im Gegenteil.

© Wolfgang Rattay/REUTERS

Nach Olympia: In Rio de Janeiro ist die Party vorbei

Kein halbes Jahr nach den Olympischen Spielen versinkt Rio de Janeiro in einer tiefen Krise. Es mangelt an allem und der Drogenkrieg flammt wieder auf.

Rio de Janeiro steht vor einem Scherbenhaufen. Knapp ein halbes Jahr nach den Olympischen Spielen sind die Stadt sowie der gleichnamige Bundesstaat pleite. Demonstrierende Staatsbedienstete verwüsten das Landesparlament. Der Metrobetrieb wird begrenzt, Seilbahnen fahren nicht mehr. Der Drogenkrieg in den Favelas ist mit voller Wucht zurück, die Straßenkriminalität steigt, und der Polizei fehlt Benzin für ihre Streifenwagen. In den Krankenhäusern mangelt es an Medikamenten.

In diese Situation platzten kurz hintereinander zwei Nachrichten von großer Symbolik und politischer Tragweite: Zunächst verhaftete die Polizei Anthony Garotinho, einen ehemaligen Gouverneur des Bundesstaats Rio de Janeiro. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, „mit eiserner Hand“ ein korruptes System zum Stimmenkauf angeführt zu haben.

Zwei Verhaftungen wegen Korruptionsverdacht

Garotinho regierte Rio de Janeiro zwischen 1998 und 2002 und ist Oberhaupt eines berüchtigten Politik-Clans. Seine Frau Rosinha war zwischen 2003 und 2007 Gouverneurin von Rio de Janeiro, die gemeinsame Tochter ist Parlamentsabgeordnete in Brasília. Dass Garotinho in schmutziger Geschäfte verwickelt war, ist schon lange bekannt. 2010 war er zu zwei Jahren Haft wegen Korruption und Bandenbildung verurteilt worden. Delikat an der Angelegenheit ist, dass er ein Vertrauter von Rio de Janeiros frisch gewähltem Bürgermeister ist, dem konservativen evangelikalen Priester Marcello Crivella.

Nur einen Tag nach Garotinhos Verhaftung dann die eigentliche Sensation. Brasiliens Bundespolizei verhaftete Ex-Gouverneur Sérgio Cabral in seinem Luxusapartment und brachte ihn in das berüchtigte Gefängnis Bangu. Cabral hatte Rio de Janeiro zwischen 2007 und 2014 regiert und war Ziel heftiger Proteste während der Massendemonstrationen von 2013 gewesen, weil seine Polizeieinheiten extrem brutal vorgingen. Der Vorwurf gegen ihn und neun andere Verdächtige lautet nun: Korruption und Veruntreuung öffentlicher Gelder. Sie sollen umgerechnet 65 Millionen Euro gestohlen haben. Immer dann, wenn öffentliche Bauvorhaben anstanden, hätten sie die Hände aufgehalten, so die Staatsanwaltschaft.

Pikanterweise fällt die Regierungsperiode Cabrals in die Zeit, als Rio de Janeiro sich auf die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 vorbereitete. Damals wurde die Stadt massiv umgebaut – angefangen mit dem Maracanã-Stadion, der Erweiterung der Metro, dem kompletten Umbau des Hafenviertels und der Einrichtung verschiedener Buskorridore. Der Fall wirft erneut ein Licht auf die Korruption, die mit sportlichen Großereignissen wie WM und Olympia einhergeht.

Abgeordnete beschließen Sparmaßnahmen - nur nicht bei sich selbst

Interessant ist zudem, dass die Festnahme Cabrals erstmals einen hochrangigen Politiker von Brasiliens größter Partei, der PMDB, trifft. Es ist die Partei von Brasiliens neuem Präsidenten Michel Temer. Auch gegen ihn gibt es Korruptionsvorwürfe.
Die Presse in Rio stellt nun heraus, dass Cabral und seine Bande, den Schmiergeldzahlungen den Namen „oxigéno“ gegeben hatten – Sauerstoff.

Genau dieser fehlt derzeit in Rios Krankenhäusern wegen der schweren Finanzkrise. Ärzte berichten von fehlenden Medikamenten, es gebe keine freien Betten mehr. Hatten die schlimmen Zustände in Rios öffentlichen Einrichtungen vor den Olympischen Spielen noch international für etwas Aufmerksamkeit gesorgt, sind sie nun vergessen.

Das Landesparlament von Rio will nun tiefe Einschnitte in den Haushalt beschließen, allerdings treffen sie fast ausschließlich die öffentlichen Bediensteten und den öffentlichen Service. Die knappen Gehälter von Polizisten etwa sollen nicht nur gekürzt, sondern auch in Raten ausgezahlt werden. Der Betrieb der Seilbahn über den Favelakomplex Alemão wurde wegen Geldmangel ausgesetzt. Die Parlamentarier selbst sehen hingegen keine Notwendigkeit, ihre eigenen üppigen Vergünstigungen zu beschneiden, etwa zusätzliche Beihilfen zu Wohnen und Transport. Ebenso sollen große Firmen weiterhin Steuervergünstigungen erhalten, Regierungspaläste aufwendig saniert werden, das Essen bei Empfängen luxuriös bleiben. Es sind barocke Zustände.

Drogenbanden liefern sich heftige Kämpfe

Nachdem zuletzt wütende Demonstranten, in der Mehrheit Polizisten, in das Landesparlament von Rio de Janeiro eingedrungen waren, es verwüstet hatten und nach einer Militärdiktatur riefen, wird es nun von schwer gerüsteten Sondereinheiten abgeriegelt. Erneut zeigt sich, was viele Kritiker der Olympischen Spiele hervorgesagt hatten: Statt wie versprochen aufzublühen, werde die Stadt nach den Spielen in eine tiefe Krise stürzen.

In der vergangenen Woche kam es zu heftigen Protesten vor dem Landesparlament in Rio de Janeiro.
In der vergangenen Woche kam es zu heftigen Protesten vor dem Landesparlament in Rio de Janeiro.

© Ricardo Moraes/REUTERS

Dazu passt das heftige Wiederaufflammen des Drogenkriegs. So liefern sich seit mehreren Wochen die beiden größten Gangs von Rio einen heftigen Kampf um die Favela Coroa im Zentrum der Stadt. An manchen Tagen ist über Stunden hinweg schweres Feuer zu hören. Daran ändert nichts, dass in Coroa eine Einheit der international vielgepriesenen Befriedungspolizei (UPP) stationiert ist. José Beltrame, Rios Sicherheitschef, der als Architekt der UPP-Strategie gilt, nahm schon vor Wochen frustriert seinen Hut. Statt der UPP greift nun das paramilitärische Spezialkommando Bope in die Kämpfe ein. Wie man von Anwohnern erfährt, auf Seiten der Gang „Amigos dos Amigos“. Wöchentlich sind neue Tode zu beklagen.

Der Drogenkrieg wird begleitet von einer Zunahme der Straßenkriminalität: Überfälle auf Passanten und Fahrzeuge. Es wird mit der Wirtschaftskrise erklärt, die viele junge Männer zurück in die Kriminalität getrieben habe. Während der sportlichen Großereignisse sorgten noch große Aufgebote von Polizei und Militär dafür, dass die Besucher von diesen Zuständen abgeschirmt blieben.

Nun ist die Party vorbei. Olympia ist in Rio längst vergessen.

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