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Das Jobcenter in Neuss ist geschlossen. Die Mitarbeiter stehen unter Schock. Eine ihrer Kolleginnen wurde getötet.

© dapd

Nach tödlicher Attacke in Neuss: Verdi: Jobcenter-Beschäftigte sollten "nicht um ihr Leben fürchten"

Nach dem tödlichen Angriff auf eine Jobcenter-Mitarbeiterin in Neuss diskutieren Politiker und Verbände die Sicherheit in Jobcentern. Der Arbeitslosenverein beklagt schlechte Betreuung.

Nach der Bluttat von Neuss geht die Debatte über die Sicherheit für die Beschäftigten in Jobcentern weiter. Die Gewerkschaft ver.di forderte am Donnerstag eine Überprüfung der Sicherheitskonzepte. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, es müsse in den Jobcentern direkten, persönlichen Kontakt von Mensch zu Mensch geben. Der Förderverein Gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit beklagte, dass eine gute Betreuung der Arbeitssuchenden in den Jobcentern nicht möglich sei und der Frust dementsprechend steige.

Am Mittwoch war eine 32-jährige Mitarbeiterin eines Jobcenters von einem Kunden niedergestochen worden. Sie starb an den schweren Verletzungen und war offenbar ein Zufallsopfer. Der mutmaßliche Täter wollte eigentlich einen anderen Mitarbeiter aufsuchen. Verdi-Bundesvorstandsmitglied Isolde Kunkel-Weber sagte, die Schutzmechanismen in den Jobcentern müssten so gestaltet werden, dass die Beschäftigten „nicht um ihr Leben oder die Gesundheit fürchten“ müssten. Die Beschäftigten der Jobcenter seien täglich steigenden gesundheitlichen Belastungen und immer wieder bedrohlichen Situationen ausgesetzt.

Video: Jobcenter-Mord: Angreifer kochte vor Wut

Die Mitarbeiter litten unter hoher Arbeitsbelastung und komplizierter Gesetzgebung. Martin Künkler, Referent des Arbeitslosenvereins, sagte der Nachrichtenagentur dapd: „Eine gute Betreuung der Arbeitssuchenden ist nicht möglich.“ Grund hierfür seien die unzureichende Ausbildung der Jobvermittler sowie die hohe Zahl der Arbeitslosen, die auf einen Arbeitsvermittler kämen. „Die Unzufriedenheit der Arbeitssuchenden mit den Jobcentern nimmt zu“, sagte Künkler weiter.

Von der Leyen verurteilte die Tat als „abscheuliches Verbrechen“, das „durch nichts zu rechtfertigen“ sei. Auch der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur (BA) für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, zeigte sich bei Bekanntgabe der Arbeitsmarktzahlen für den September über die Attacke auf die junge Frau erschüttert: „Wir sind sehr betroffen. Wir denken an sie, wer das kann, betet für sie.“ Der mutmaßliche Täter hatte offenbar einen anderen Mitarbeiter besuchen wollen, um mit diesem Mann über eine Datenschutzerklärung zu sprechen. Den Mann habe die Angst umgetrieben, dass das Jobcenter seine Daten weitergeben könnte und „mit seinen Daten jemand anderes Geld verdient“, sagte der Leiter der Neusser Mordkommission, Guido Adler.

Video: Tödlicher Angriff auf Jobcenter-Mitarbeiterin

Weil der Sachbearbeiter am Tattag nicht im Hause war, suchte er das spätere Opfer auf. Unvermittelt stach er mit einem Messer auf die Frau ein. Diese hatte den Mann Wochen zuvor für ein Projekt zur Wiedereingliederung von über 50-Jährigen in den Arbeitsmarkt an ihren Kollegen verwiesen. Adler nannte die Tat „nicht nachvollziehbar“. Gegenüber der Polizei räumte der Mann die Tat ein. Er bestritt aber die Tötungsabsicht. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders und will Haftbefehl wegen Mordes beantragen. Die „mit Wucht ausgeführten Verletzungen“ sprächen nicht für Totschlag, sondern für Mord, sagte Staatsanwältin Britta Zur. „Das Opfer war arg- und wehrlos.“ Die Frau habe nicht mit einem Angriff rechnen können.

Die Zurechnungsfähigkeit des Mannes will die Polizei von Psychologen prüfen lassen. „Dazu können wir abschließend noch nichts sagen“, erläuterte Zur. Seine bisherigen Äußerungen deuteten aber darauf hin, dass der Mann sich seiner Tat bewusst gewesen sei. (dapd)

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