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Panorama: Nachbar Bär

Biologen meinen, die Bayern sollten sich mit Bruno arrangieren – wie die Amerikaner

Braunbär Bruno hält seine Verfolger weiterhin zum Narren und riskiert dadurch sein Leben: Drei der finnischen Spezialisten haben am Freitag die Jagd abgebrochen und sind mit ihren Hunden in ihre Heimat zurückgeflogen. Nur noch am Wochenende werden ihre Kollegen versuchen, den Bären lebend zu fangen. In Bayern soll dann die allgemeine Abschussgenehmigung wieder in Kraft gesetzt werden, bestätigte das bayerische Umweltministerium am Freitag. Der Deutsche Tierschutzbund in Bayern übte scharfe Kritik am möglichen Abschuss des Tieres – und wird inzwischen von internationalen Tierschützern unterstützt: Bruno stelle keine Gefahr für den Menschen dar, man brauche nur Geduld und Geld, um das Tier zu fangen.

Bruno hat inzwischen genügend Fans: Sponsoren wie die Lufthansa und die Kaffeesahne „Bärenmarke“ wollen ihm helfen, im Internet gibt es T–Shirts und Computerspiele, jetzt wird er auch als Spielzeug produziert.

Auch in Amerika streift „Herr Bruno“ seit Wochen durch die Gazetten. Dabei sind es im Land der hunderttausend Bären nicht die Eskapaden des Bären, die die Leser faszinieren –, sondern vielmehr die Spezies „aufgeregter Mensch“: „Erst fanden die Leute in Bayern den zweijährigen Bären mit dem Schleckermaul süß, aber dann begann er, sich wie ein Bär zu verhalten“, amüsiert sich Craig Whitlock in der „Washington Post“ über die Aufregung.

In den USA gehören wilde Bären zum Alltag. In den Nationalparks und abgelegenen Wäldern sowieso. Dabei kommt es auch zu Zwischenfällen: Im April griff ein Schwarzbär im Cherokee-Nationalpark in Tennessee eine Familie unweit eines Campingplatzes an und tötete die sechsjährige Tochter. Die Mutter und ein zweijähriger Junge erlitten schwere Bissverletzungen. In Naherholungsgebieten um Washington gibt es ebenfalls Bären: „Man läuft auf dem Wanderweg, und plötzlich steht einer auf der Lichtung“, sagt Nicole Jones, Büroangestellte aus Baltimore. Beim geringsten Krach liefen sie meistens weg. „So niedlich, die süßen Plüschohren“, schwärmt Jones. „Was aber Angst macht, ist zu sehen, wie schnell sie sind.“ In vielen Großstädten von Boston bis San Francisco ist Meister Petz schon zur Plage geworden. Die Tiere verlieren die Scheu vor dem Menschen und machen sich auf der Suche nach Essbarem an Abfalltonnen und in den Garagen von Wohnsiedlungen zu schaffen. Oder sie baden in Swimmingpools.

In den vergangenen 25 Jahren ist die Bärenbevölkerung in den USA explodiert, von je ein paar Tausend in den 80er Jahren auf zum Beispiel 11 000 im Bundesstaat Wisconsin, 20 000 in Minnesota oder auch 33 000 in Kalifornien. Die Wildschutzbehörden sind begeistert. Ende vergangenen Jahres schlug das Innenministerium vor, den Grizzlybären von der Liste der bedrohten Arten zu nehmen.

In Duluth, Minnesota, gibt es immer wieder aufgeregte Anrufe von neu Zugereisten, die einen Bären in ihrem Garten gesehen haben. Die Behörden bleiben gelassen. „Ich sage immer nur: Willkommen in Duluth", meint Wildschutzbeamtin Martha Minchak.

Einer, der die Aufregung in Deutschland und Österreich auch nicht versteht, ist Schweißer Bob Facklam aus Montana. Er hat die Bärenfalle gebaut, mit der Bruno überlistet werden soll. „Erschießen wäre viel einfacher“, sagte er der „New York Times“ – „der Bär weiß nicht mehr, wie man sich als Bär benimmt, der wird sein ganzes Leben Ärger machen“.

„Ich bin nicht überzeugt, dass der Abschuss die richtige Lösung ist“, sagt dagegen der italienische Wildbiologe Alberto Stoffella, der für die italienische Forstbehörde das Ansiedlungsprogramm von Braunbären im Trentino betreut. Der „Netzeitung“ sagte er, der Lebensraum der Braunbären überschneide sich mit dem Lebensraum des Menschen: „Wenn man die Tiere gleich abschießen will, sobald sie in der Nähe menschlicher Siedlungen auftauchen, dann geht es nicht nur um ,JJ1’, sondern um den Braunbären in Europa überhaupt.“ Mit Bruno, der offiziell „JJ1“ genannt wird, habe es auch in Italien Zwischenfälle gegeben, „aber das wurde toleriert“. Erst in Deutschland sei der Bär zum „Problembären“ geworden.

Stoffella sprach sich für eine bessere internationale Abstimmung zum Schutz der Bären und für den Umgang mit Zwischenfällen aus: „Wenn man Bären in Mitteleuropa haben will, wird man auch mit ihnen in Kontakt kommen.“ Davor müsse aber niemand Angst haben. dpa/AFP

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