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Panorama: "Nachrichten aus der wirklichen Welt": John Wayne, bitte melden!

John Wayne ist verschwunden. Einfach so.

John Wayne ist verschwunden. Einfach so. Über Nacht. In Barcelona. Spurlos. Und das während der Dreharbeiten zu Circus World, einem der - wie sich später zeigen wird - ganz großen Fehlschläge des amerikanischen Hollywoodkinos. Doch das ahnt der allgewaltige Produzent Samuel Bronston natürlich noch nicht, als er vom unangekündigten und damit unbotmäßigen Fernbleiben des Westernhelden erfährt. Ein Affront, findet der Geldgeber. Und setzt alles und alle in Bewegung, Wayne wieder vor die Kameras zu bekommen. Es geht schließlich um Geld, sehr viel Geld. Die teuerste Szene des ganzen Films, eine Zirkuspremiere an Bord eines kurz danach sinkenden Schiffes, soll gedreht werden.

Diese Nöte sind die große Chance des jungen Ich-Erzählers. Wenn er, der Gehilfe des Regieassistenten, den berühmten Schauspieler wieder auftreibt, wäre ihm der Produzent einen Gefallen schuldig... Und so schickt der spanische Autor Juan Miñana seinen jugendlichen Helden 1963 durch die pittoresken Viertel Barcelonas.

Zwei untergegangene Welten sind Miñanas Themen: die Traumfabrik mit ihren mythischen Stars von Rita Hayworth bis zu Claudia Cardinale und die ehrwürdige katalanische Haupstadt zu Zeiten des Diktators Franco. Beide Male blickt Miñana liebevoll, aber auch mit der notwendigen Portion ironischer Distanz in die nicht nur ruhmreiche Vergangenheit. Und das macht den besonderen Reiz des Buches aus.

Plätze, Straßen, Feste, Gespräche im Café: Juan Miñana, eine Art Jungstar der spanischen Literaturszene, macht sich zunächst auf den Weg, das Barcelona seiner eigenen Kindheit wieder zum Leben zu erwecken. Und der Leser folgt ihm gerne. Der 42-Jährige versteht es nämlich, im besten Sinne des Wortes zu unterhalten. Große politische Botschaften, etwa über die alltäglichen Repressionen während der Herrschaft des Caudillo, versucht er erst gar nicht zu verbreiten. Es gibt zwar immer wieder mal Andeutungen, mehr aber nicht. Und das ist auch gut so. Denn ob ihm dieser schwierige Spagat gelungen wäre, ist fraglich.

Miñana konzentriert sich stattdessen auf das, was er wirklich gut kann: erzählen. Vor allem bei der Hommage auf John Wayne kommt das zum Tragen. Für das zuweilen unbeherrschte, weil auch mal zuschlagende Rauhbein mit dem großen Herzen und das Kino, das er repräsentiert, empfindet der Autor wirklich Zuneigung. Und dieser kleinen Liebeserklärung kann sich auf Dauer auch der Leser nicht entziehen.

Am Ende haben alle irgendwie verloren. John Wayne taucht zwar nach durchzechter Nacht wieder auf, der Film aber wird ein Flop. Der ortskundige Helfer des Regieassistenten hat den abhanden gekommenen Schauspieler zwar aufgetrieben, aus der Hollywood-Karriere wird dennoch nichts. Die macht sein bester Freund, der ohnehin schon (dank der Familie) auf dem Weg nach oben war. Und die guten alten Western werden künftig sowieso als Billigproduktionen am Fließband produziert.

Muss man nun den guten alten Zeiten nachtrauern? Nicht, wenn die Erinnerung daran so unterhaltsam daher kommt, wie Juan Miñanas Nachrichten aus einer unwirklichen Welt.

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