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Ikea Gründer Ingvar Kamprad steht vor einer IKEA Filiale undatiertes Archivbild).

© Inter Ikea Systems B.v./ho/INTER IKEA SYSTEMS B.V./dpa

Nachruf auf Ikea-Gründer Kamprad: Seine Sparsamkeit hat ihn reich gemacht

Ein Sparfuchs und Volkserzieher: Der Ikea-Gründer Ingvar Kamprad ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Er war ein geschickter Geschäftsmann, der den Möbelmarkt revolutionierte. Fast alle Innovationen, die sich Ikea-Gründer Ingvar Kamprad ausgedacht hat, resultierten dabei aus seiner eigenen Sparsamkeit – die ihm letztlich ein Privatvermögen von geschätzten 40 Milliarden Euro einbrachte. Zugleich aber hat der knickrige Schwede auch unendlich viel für die allgemeine Geschmacksbildung getan: Indem er die Menschen vom Gelsenkirchener Barock befreite, von den ausladenden Leder-Sitzgruppen und den Schrankwänden aus dunkel gebeizter Eiche, die wie die Eiger-Nordwand in den Wohnzimmern aufragten.

Wer den Ikea-Katalog durchblättert – das meistgelesene Printprodukt weltweit nach der Bibel – findet dort Produkte, die zu den Dimensionen von Neubauwohnungen passen. Möbel für alle eben. Genau das also, was sich einst auch die Bauhaus-Meister vorgenommen hatten. Die 1919 in Weimar gegründete Kunstschule wollte Schluss machen mit den billigen Kopien der Interieurs des (Geld-)Adels. Stattdessen sollte ein adäquates Design für die neue demokratische Zeit geschaffen werden.

Da man aber gleichzeitig Wert auf Materialqualität und Handwerkskunst legte, waren die neuen Möbel oft leider doch nicht für jedermann erschwinglich. Das wurden sie erst durch Ikea. Indem Ingvar Kamprad einen Teil der Arbeitsleistung an seine Kunden delegierte.

Seine Eltern emigrierten aus Deutschland

Ingvar Kamprads Familie stammt aus Deutschland. In den 1920er Jahren emigrierten seine Eltern aus Thüringen ins südschwedische Småland. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, verkaufte Ingvar schon als Kind selbst geangelte Fische an die Nachbarn. 1943, als 17-Jähriger, gründete er dann eine Firma, die zunächst Stifte und Bilderrahmen, ab 1947 auch Möbel anbot. Die Idee, sie zum Transport zu zerlegen, wurde 1956 geboren. Beim Tisch „Lövet“ musste der Käufer die Beine selber mit der Platte verbinden. Als Kamprad 1965 sein erstes Kaufhaus am Rande Stockholms eröffnete, war der Andrang so groß, dass der Chef Mitarbeiter aus der Warenausgabe an die Kasse beorderte: Das Möbelhaus mit Selbstbedienung war geboren.

Mittlerweile erbringen 403 Filialen mit 150.000 Mitarbeitern in mehr als 49 Ländern einen Konzernumsatz von rund 34 Milliarden Euro. Wichtigster Markt ist Deutschland mit fast fünf Milliarden Euro Umsatz in 53 Filialen. 1974 wurde in München das erste „unmögliche Möbelhaus“ eröffnet.

Auf die 68er Revolution folgte die Ikea-Revolution: WGs mussten ihre Möbel nicht länger aus dem Sperrmüll zusammenklauben, das 1978 entworfene „Billy“ avancierte zum klassenlosen Regal für jedermann. Millionen Deutsche gewöhnten sich ans Einkaufen am Stadtrand, aßen „Köttbullar“ und holten den greinenden Nachwuchs aus dem Småland ab. 2013 gaben 70 Prozent der Deutschen in einer Umfrage an, ihr Einrichtungsstil sei maßgeblich vom schwedischen Konzern beeinflusst worden.

Eine soziologisch wertvolle Quelle sind die Ikea-Kataloge von jeher. Den Ulk-Elch, der röhrte „Wir bringen Ihr Sofa um die Ecke“, gab es bis 1983, im Katalog von 1998 führte ein Scheidungskind durch die Wohnung seines Teilzeitvaters. Zum geflügelten Wort wurde zuletzt der Slogan „Wohnst Du noch oder lebst Du schon?“

Sympathien für Nazis? Eine "Jugenddummheit"

Hinter der lässig-weltläufigen PR-Fassade regierte Ingvar Kamprad mit harter Hand. Strenge Kostenkontrolle war stets zentraler Bestandteil seiner Geschäftsstrategie. Er verlagerte die Produktion aus Schweden nach Dänemark, Polen und auch in die DDR, wo nachweislich politische Häftlinge in den Produktionsstätten eingesetzt wurden. Auf Skandale reagierte er offensiv: Als Greenpeace Anfang der 90er Jahre aufdeckte, dass die Billy-Regale giftiges Formaldehyd ausdampften, ließ er die Produktion stoppen und spendete Greenpeace 2,5 Millionen Mark. Als das schwedische Fernsehen pakistanische Kinder beim Weben von lkea-Teppichen zeigte, kündigte Ikea umgehend den Liefervertrag und spendete eine Million Mark an Unicef.

1994 wurde bekannt, dass Kamprad als Jugendlicher mit der Nazi-Ideologie sympathisiert hatte, Mitglied der rechtsradikalen „Neuschwedischen Bewegung“ gewesen war. Für die „Jugenddummheit“ entschuldigte er sich mit Verweis auf seine Oma aus dem Sudetenland, die ihn negativ beeinflusst habe. Offen ging er auch mit frühen Alkoholproblemen sowie seiner Schreib- und Leseschwäche um.

Abgaben dagegen zahlte der Milliardär ungern, schon gar nicht im Hochsteuerland Schweden. Also zerlegte er den Konzern in ein unüberschaubares Netz aus Stiftungen und Holdings mit Sitz in Holland, Luxemburg, Liechtenstein oder der Karibik. Privat kultivierte er das Image des Sparfuchses, fuhr in abgetragener Kleidung mit dem Bus und sammelte Rabattmarken im Supermarkt. Nachdem er seit den 70er Jahren in der Schweiz gelebt hatte, zog der Ikea-Gründer 2013 in seine Heimat zurück. Dort ist er jetzt im Alter von 91 Jahren „friedlich eingeschlafen“.

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