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Panorama: Nägel vom Kreuz Christi?

Die Istanbuler Konstantinssäule soll unschätzbar wertvolle Reliquien bergen – neue Tests stützen die These

Seit gut 1700 Jahren steht sie mitten in jener Stadt, die zuerst Byzanz und dann Konstantinopel war und heute Istanbul heißt. Die Konstantinssäule, einen Steinwurf von der Hagia Sophia entfernt, ist eines der ältesten Bauwerke der Welt und seit Jahrhunderten von Legenden umrankt. Für eine fromme Sage sollen jetzt bei Restaurierungsarbeiten Beweise gefunden worden sein: Im Sockel der Säule werden christliche Reliquien von unschätzbarem Wert vermutet, darunter Holz und Nägel vom Kreuz Christi sowie Erde aus dem Grab des Erlösers. Ans Tageslicht bringen kann man die heiligen Fundstücke nach Ansicht von Experten allerdings kaum – dazu müsste die Säule zerstört werden.

Einst war die Säule ein 50 Meter hohes Zeichen der Macht: Mit einer Statue des Kaisers Konstantin als Apollo auf ihrer Spitze zierte sie ab dem Jahr 330 das sogenannte Konstantinsforum im Zentrum der neuen römischen Hauptstadt. Durch einen Sturm brach Jahrhunderte später ein Teil der Säule ab, Brände und Erdbeben setzten dem Bauwerk ebenfalls zu, zuletzt das starke Beben vor acht Jahren. Die während der daraufhin angesetzten Restaurierungsarbeiten gestarteten Untersuchungen gaben nun der Sage von den christlichen Schätzen im Innern der Säule neue Nahrung.

Historische Quellen belegten, dass in der Säule viele Reliquien versteckt seien, sagte der Istanbuler Geschichtswissenschaftler Faruk Göncuoglu in einem Zeitungsinterview. Auch Abdülkadir Akpinar, der Chef der mit den Restaurierungsarbeiten beauftragten Firma, ist davon überzeugt, dass die Säule wertvolle Schätze birgt. Schallwellenmessungen haben demnach im Sockel der Säule einen kuppelförmigen Hohlraum lokalisiert, in dem die Reliquien liegen sollen.

Selbst die katholische Kirche ist davon überzeugt, dass bedeutende Fundstücke in der Säule lagern. Teile des Kreuzes, an dem Jesus starb, seien unter der Konstantinssäule vergraben, ließ sich der Vorsitzende der türkischen Bischofskonferenz, Georges Marovitch, zitieren. Bei der Frage, wie die Reliquien aus dem Heiligen Land an den Bosporus kamen, herrscht ebenfalls Konsens: Helena, die Mutter von Konstantin dem Großen, habe die Fundstücke im Jahr 324 als Souvenirs aus Jerusalem mitgebracht.

Helena hatte bei ihrer Rückkehr aus dem Heiligen Land offenbar einiges im Gepäck. Neben den Nägeln des Heiligen Kreuzes und der Erde aus dem Grab Jesu sollen auch die bei der wunderbaren Brotvermehrung verwendeten Körbe zu ihrer Ausbeute gehört haben. Alttestamentarisches hatte die Kaisermutter der Sage nach ebenfalls eingesteckt: eine Axt von Noah, einen Stein, der Moses gehört haben soll, sowie einen siebenarmigen Leuchter aus dem Besitz von König Salomon. All diese Gegenstände wurden der Legende nach in dem Säulensockel verstaut.

In Istanbul erzählt man sich bis heute, fremde Mächte trachteten nach den heiligen Schätzen. Nach dem Ersten Weltkrieg sollen Abgesandte des Vatikans in der damals von den Siegermächten besetzten Stadt versucht haben, einen Tunnel zum Sockel der Säule zu graben. Die katholischen Schatzräuber hätten sich dazu ein Zimmer in der Nähe der Säule gemietet – doch als den Anwohnern der Erdaushub der geheimen Buddelei auffiel, seien die vatikanischen Ausgräber aus dem Land geworfen worden.

Große Aussichten auf Erfolg hätten sie ohnehin nicht gehabt, meint Firmenchef Akpinar. Nur ein Krieg oder eine „massive Zerstörung“ der Säule könnte die Reliquien freilegen, meint er. Um den Schatz zu erreichen, sei schon ein „Armageddon“ nötig, die in der Bibel erwähnte Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse. Denn die sagenhaften Reliquien sind in einem massiven Porphyrblock von elf mal elf Meter Umfang und zweieinhalb Meter Höhe versteckt. Ohne das ganze Bauwerk zu zerstören, werde man deshalb kaum an die Schätze herankommen, sagt Akpinar. Es sieht ganz so aus, als würde die Konstantinssäule ihr Geheimnis weiter bewahren.

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