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Naturkatastrophe: Tausende Menschen werden noch vermisst

Noch kann niemand genau sagen, wie viele Menschen beim Erdbeben und dem Tsunami in Japan ums Leben kamen. Vermutlich sind es mehr als 1700. Das Beben hat die ganze japanische Hauptinsel um 2,4 Meter verschoben.

Tokio - Nach dem verheerenden Beben und dem anschließenden Tsunami in Japan sind umfangreiche internationale Rettungsbemühungen angelaufen. Auch sechs Spezialisten des Technischen Hilfswerks (THW) trafen am Samstag aus Deutschland in dem Katastrophengebiet ein. Japans Regierungschef Naoto Kan sprach angesichts von hunderten Toten von einer „nie dagewesenen nationalen Katastrophe“. Ein 40-köpfiges THW-Bergungsteam mit Ortungs- und Bergungsgerät und drei Spürhunden sollte am Abend (MEZ) ankommen.

Auch andere europäische Länder wie Großbritannien und die Schweiz sagten Japan Hilfe zu. Die USA schickten 150 Rettungshelfer, 75 Tonnen Bergungsausrüstung sowie eine Marine-Flotte in das Katastrophengebiet. Auch das Ende Februar von einem Erdbeben der Stärke 6,3 erschütterte Neuseeland kündigte Hilfe an. Japan habe nach dem Beben in Christchurch Rettungsteams geschickt, nun werde sein Land „unseren Freunden in Japan“ helfen, erklärte Premierminister John Key. Die Entsendung von Bergungsteams kündigten auch Australien, Südkorea und Singapur an. Das Chinesische Rote Kreuz sagte seiner Partnerorganisation in Japan laut staatlichen Medienberichten umgerechnet 109 000 Euro zu. Nach UN-Angaben stehen 60 Helfer- Teams aus mehr als 45 Ländern für einen Einsatz in Japan auf Abruf bereit. Rund 50 000 japanische Soldaten beteiligten sich an Hilfseinsätzen.

Unterdessen wurden die Folgen des schwersten Bebens in der Geschichte Japans immer stärker sichtbar. Nach dem Tsunami fand die Armee in der nordöstlichen Küstenstadt Rikuzentakata am Samstag 300 bis 400 weitere Todesopfer, wie der öffentlich-rechtliche Sender NHK berichtete. Er gab zudem an, dass in der Hafenstadt Minamisanriku noch 10 000 Menschen und damit mehr als die Hälfte der Einwohner vermisst wurden. Allein in der schwer betroffenen Provinz Miyagi fehlte am Samstag von 9500 Menschen jedes Lebenszeichen.

Offiziell geht die Regierung von rund 1700 Toten aus. Mehr als 3000 Häuser wurden zerstört oder fortgespült. Mehr als 215 000 Menschen fanden Zuflucht in Notunterkünften. Das japanische Fernsehen zeigte Bilder von großflächigen Überschwemmungen an der Küste. Viele Menschen verbrachten die eiskalte Nacht frierend im Freien auf den Dächern umfluteter Häuser. Am Samstag waren noch 5,6 Millionen Haushalte ohne Strom und mehr als eine Million Haushalte ohne Trinkwasserversorgung. Eine gute Nachricht gab es am Samstag jedoch auch:  Alle 81 Menschen an Bord eines zwischenzeitlich vermissten Schiffes konnten gerettet werden.

Zugleich hielten einen Tag nach dem Beben der Stärke 8,9 Nachbeben die Bewohner selbst in weit vom Epizentrum entfernten Gegenden in Atem. Die US-Wissenschaftsbehörde United States Geological Survey (USGC) registrierte seit Freitag allein 25 Beben ab der Stärke 6. Hinzu kamen über 150 schwächere Nachbeben. Auch im Großraum Tokio wurden die Menschen von einer neuen schweren Erschütterung aufgeschreckt. Dennoch schien zumindest auf den ersten Blick am ehesten in der Hauptstadt so etwas wie Alltag zurückzukehren. Am Bahnhof ging es am Samstag recht ruhig zu. An den Schaltern bildeten sich keine übermäßig langen Schlangen von Menschen, die vorübergehend im Süden des Landes Zuflucht suchen wollten.    Der Zug von Tokio Richtung Osaka war am Samstag ebenfalls nicht überfüllt. Der 28-jährige Software-Entwickler Shinji Masui sagte der dpa, er fürchte Auswirkungen auch auf die Hauptstadt: „Deswegen fahre ich zu meiner Familie in den Süden.“ Auch Mirami, eine andere junge Tokioterin, flüchtet für eine Woche nach Kyoto, „bis alles vorbei ist“.

Das gewaltige Beben hatte Japan am Freitag gegen 14.45 Uhr Ortszeit (6.45 Uhr mitteleuropäischer Zeit) erschüttert. Im gesamten Pazifikraum waren danach in etwa 50 Ländern zeitweise Tsunami-Warnungen ausgelöst worden. Die Folgen außerhalb Japans waren jedoch weitaus geringer. Vor allem auf dem amerikanischen Kontinent verlief der durch das Beben ausgelöste Tsunami glimpflich. Bis zu 2,40 Meter hohe Wellen schlugen nach Behördenangaben am Freitag (Ortszeit) an der Küste der US-Bundesstaaten Kalifornien und Oregon auf. Im nordwestkalifornischen Bezirk Del Norte starb ein 25-Jähriger. Er wurde beim Versuch, Fotos vom Tsunami zu machen, ins Meer gerissen. Zudem wurden dutzende Schiffe beschädigt. In Zentralamerika war die Flutwelle schwächer als erwartet. Auch südamerikanische Länder hatten vorsorglich gefährdete Gegenden evakuiert. In Ecuador waren mehr als 260 000 Menschen aus küstennahen Regionen in Sicherheit gebracht worden, in Chile wurden ebenfalls zehntausende Bewohner aus tief gelegenen Küstenstrichen in höheres Gelände gebracht.

In Indonesien tötete der Tsunami einen Menschen und zerstörte etliche Häuser. Die von dem Erdbeben vor Japan ausgelöste Welle war etwa zwei Meter hoch, als sie gegen Mitternacht einen Küstenabschnitt in Papua auf der Insel Neuguinea überflutete, wie die staatliche Nachrichtenagentur Antara am Samstag berichtete. Stunden zuvor hatte die Regierung die Tsunami-Warnung wieder aufgehoben. Mindestens 19 Familien wurden laut Antara obdachlos, dutzende Boote zerstört. Ein 35-jähriger Mann verlor in den Fluten sein Leben, als er seine Familie retten wollte. Später wurde sein Leichnam gefunden.

Nach Angaben von Wissenschaftlern hat das Erdbeben mit seiner Wucht große Landmassen verschoben und den Lauf der Welt verändert. Die japanische Hauptinsel sei um 2,4 Meter verrückt worden, sagte Kenneth Hudnut von der US-Geologiebehörde dem Fernsehsender CNN.

Das italienische Institut für Geophysik und Vulkanologie ermittelte nach eigenen Angaben außerdem, dass das Beben mit einer Stärke von 8,9 die Achse der Erdrotation um rund zehn Zentimeter verschoben hat. Das wäre wahrscheinlich die größte Verschiebung der Erdrotation durch ein Erdbeben seit 1960. Damals traf ein verheerendes Beben die Chilenen.

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