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Panorama: Neapel in Angst vor Blutrache

Die alten Bosse der neapolitanischen Camorra sind entweder inhaftiert oder dem Fahndungsdruck durch Flucht ausgewichen. In diesem Autoritätsvakuum setzen ihre Erben bei ihrem blindwütigen Kampf um die Macht in Neapel Hierarchien und Regeln der Mafia außer Kraft.

Die alten Bosse der neapolitanischen Camorra sind entweder inhaftiert oder dem Fahndungsdruck durch Flucht ausgewichen. In diesem Autoritätsvakuum setzen ihre Erben bei ihrem blindwütigen Kampf um die Macht in Neapel Hierarchien und Regeln der Mafia außer Kraft.

Der Clan der Familie Di Lauro, eine der mächtigsten Familien im Drogenhandel, ist gespalten. Der Boss Paolo Di Lauro ist untergetaucht, 27 seiner Vertrauten sitzen im Knast. Paolos Sohn Cosimo ist schwach; seine Rauschgiftverkäufer weigerten sich, ihn anzuerkennen und liefen zu einem anderen Clan über. Jetzt kämpfen Cosimos Killer und die Abtrünnigen gegeneinander.

Doch die Mächtigen haben sich verbarrikadiert oder sind spurlos verschwunden. Deswegen erfüllen die Killer ihren Racheauftrag inzwischen an unschuldigen Verwandten, Freunden oder Nachbarn – auch Frauen sind als Opfer nicht mehr tabu. Seit dem Wochenende sind in Neapel so sechs Menschen gestorben. In der Stadt wächst die Angst.

Jüngstes Todesopfer, Neapels hundertfünfzehntes in diesem Jahr, war die 21-jährige Buchhalterin Gelsomina Verde. Ihr einziges „Vergehen“ bestand darin, mit einem untergetauchten Clanmitglied liiert zu sein. In der wechselseitigen Blutrache war am Samstag schon ein Maroni-Verkäufer erschossen worden, der der Vater eines flüchtigen Clanmitglieds war. Eine Stunde später musste ein mit einem „Abgespaltenen“ verwandter Automechaniker sterben. Am Sonntag wurden im Di- Lauro-Viertel dann ein Kioskbesitzer und ein weiterer Anwohner umgebracht.

Neapels Polizeichef Franco Malvano meint, es sei „ein Glück, dass sich die anderen Clans der Stadt noch heraushalten und warten, wie der Machtkampf ausgeht“. Doch Erinnerungen an die unseligen Bandenkriege vor zwanzig Jahren sind geweckt. Kommentatoren rufen nach dem Militär, die Bürgermeisterin ruft nach mehr Polizisten, der Innenminister will sie schicken – in die Stadt mit der höchsten „Polizistendichte“ Italiens.

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