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Nur echt mit Hut. Am 17. Mai feiert der Sänger Udo Lindenberg seinen 70. Geburtstag.

© Tine Acke/Warne

Neues Album vom Udo Lindenberg: Glut und Größe

Seine Lebensbilanz zum 70. Geburtstag: Udo Lindenberg veröffentlicht sein Album "Stärker als die Zeit".

Viel ist zuletzt geschrieben worden über Udo Lindenbergs Auto, einen schwarzen Porsche Panamera, auf dessen Fußleisten „No Panic“ steht. In ihm fährt der Sänger gerne mit Tempo 25 durch die Hamburger Innenstadt, oft begleitet von seinem Freund Benjamin von StuckradBarre. Mitte Mai wird Lindenberg 70, deshalb häufen sich schon jetzt die Homestorys aus dem Hotel Atlantic, wo er seit Jahrzehnten residiert.

Die Luxusresidenz ist seine Bühne, dort bittet Lindenberg den Rezeptionisten: „Habt ihr mal ’nen Tausi für mich?“, dort posiert er, stets ein „Hallo, hallöchen“ auf den Lippen, bereitwillig mit Fans für Selfies. Ein Reporter des „Spiegels“ durfte sogar kurz vor Mitternacht im Raucherzimmer einen Liegestützwettbewerb mit dem Musiker austragen. Natürlich verlor er. Lindenberg, keine Frage, ist der größte labernde deutsche Rockstar. Keiner hat das Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll-Leben intensiver ausgekostet. Und heute wirkte er fitter denn je.

„Stärker als die Zeit“ (Warner) heißt trotzig das Album, das Lindenberg am heutigen Freitag veröffentlicht. Der Titel spielt auf seine Comebackplatte „Stark wie zwei“ an, mit der der selbst ernannte Panikpräsident 2008 nach vierzig Jahren im Musikbusiness zum ersten Mal den ersten Platz der deutschen Charts eroberte. „Stärker als die Zeit“ ist eine Lebensbilanz in 15 Songs, es geht ums Hinfallen und Wiederaufstehen, um Siege und mehr noch um Niederlagen, darum, niemals aufgeben zu dürfen.

„Es geht nicht immer geradeaus / Manchmal geht es auch nach unten“, singt Lindenberg im Auftaktsong „Durch die schweren Zeiten“ zu einer Akustikgitarre und gedämpften Klavierakkorden. Doch im Refrain versichert er: „Es ist nie zu spät / Um noch mal durchzustarten / Wo hinter all den schwarzen Wolken / Wieder gute Zeiten warten.“ Gute Zeiten, schlechte Zeiten – für beides ist Lindenberg Experte. In den neunziger und frühen nuller Jahren verkauften sich seine Platten nicht mehr, in seiner Uniform aus Hut, Sonnenbrille und Röhrenhose wirkte der Sänger wie die Karikatur seiner selbst. Das ranschmeißerische Ey-AlterIdiom nervte.

„Zwanzig Jahre Suff und weg / Dann war er ready für sein Comeback“, heißt es in der Powerrocknummer „Einer muss den Job ja machen“. Es kreischen die E-Gitarren, und Lindenberg feiert sich als „Phönix aus der Flasche“. Der Mann ist im Reinen mit seiner Biografie. Grundsätzlich, verkündet er in der Popballade „Plan B“, hat er bislang alles richtig gemacht: „Hey Baby, ich sag Good-bye zur Lebensänderungsschneiderei / Ich bin doch kein Schnarcho.“ Sogar seinen Nachruf hat er bereits geschrieben, er heißt „Wenn die Nachtigall verstummt“ und imaginiert das eigene Nachleben: „Ich seh’ die Flaggen schon überall auf Halbmast hängen / Die Kanzlerin kniet nieder und fängt an zu flennen.“

Es ist tatsächlich zum Heulen. Udo Lindenbergs Texte funkeln vor Selbstironie, doch seine Musik ist so öde, dass selbst Herbert Grönemeyer dagegen wie ein Avantgardist wirkt. „Ich bin mehr so ’n Anarcho“, singt er einmal, aber für den Musiker gilt dieser Befund nicht. Da ist Lindenberg ein Konservativer, tief verwurzelt im Blues- und Boogierock der siebziger Jahre. Bei den meisten Stücken von „Stärker als die Zeit“ glaubt man, sie schon einmal gehört zu haben. Die von Akustikgitarren und dem Piano getragenen Balladen wie „Der einsamste Moment“ oder „Wenn du gehst“ erinnern stark an alte Hits wie „Cello“ oder „Hinterm Horizont“. Nur das Pathos ist diesmal noch dicker aufgetragen, weil die Produzenten Andreas Herbig, Henrik Menzel und Peter Seifert, die schon „Stark wie zwei“ verantworteten, mit Streichern und Hall nicht gespart haben.

Das interessanteste Stück ist der Titelsong, ein melodramatisches Bekenntnis zu Glut und Größe. Es beginnt mit der Titelmelodie des Mafia-Films „Der Pate“, orchestral eingespielt in den Londoner Abbey Road Studios. Dann singt Lindenberg wie ein Chansonnier der zwanziger Jahre: „So wie der Sturm, so wie Flut / Nichts hält uns auf, denn wir sind ein Blut.“ Gemeinsam ist er unschlagbar.

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