zum Hauptinhalt

Panorama: Nicht die Ehre wert

Ein Denkmal für Napoleon wühlt die Bewohner Venedigs auf

Von Thomas Migge, Rom

Venedigs tausendjährige Geschichte als unabhängiger Staat endete 1797. In jenem Jahr nämlich kam Napoleon Bonaparte in die Lagunenstadt. Anders als viele seiner Landsleute des 18. Jahrhunderts wollte er sich nicht dem Dolce Vita hingeben. Der Mann aus Korsika eroberte Venedig und löste den Staat der Dogen auf. Mit dem Vertrag von Campoformio ging die Stadt in der Lagune einige Monate später an das Habsburgerreich. Dafür erhielt Napoleon die Lombardei. 1806 kehrte der kleinwüchsige Eroberer wieder zurück. Bis 1814 blieb die Stadt in seinem Besitz. Dann wurde sie wieder österreichisch.

Die Würdigung eines Plünderers

Doch bis zu seiner erzwungenen Abdankung ließ Napoleon Kunst aus Venedig nach Paris transportieren. Viel Kunst. Kistenweise, weiß der Venezianer Franco Ferrin. „Wie kann man so einen Mann jetzt würdigen?“, fragt sich Ferrin. „Wir dürfen nicht vergessen, dass der Franzose unsere Stadt plünderte“. Jetzt soll der Plünderer geehrt werden. Eine Würdigung, die die Bewohner der Lagunenstadt aufwühlt wie kein anderes Thema. Da soll doch tatsächlich eine zweieinhalb Meter hohe Skulptur aus Marmor auf einer Piazza der Lagunenstadt errichtet werden. Sie zeigt Napoleon splitternackt. Geschaffen wurde das heroische Heldenbildnis in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts, also unter französischer Herrschaft, von dem italienischen Bildhauer Domenico Banti. Banti stellt den Eroberer in der Pose des antiken Helden dar, die rechte Hand heroisch erhoben. „Die Geschichte dieser Skulptur ist lang“, weiß Franco Ferrin. „Zunächst stand sie von 1811 bis 1814 auf dem Markusplatz vor dem Dogenpalast“. Nach Napoleons Sturz wurde sie von dem Bildhauer Antonio Bosa aufgekauft und seitdem wusste man nichts mehr von ihr. „Erst Ende Januar 2002 wurde sie bei einer Versteigerung von Sotheby’s in New York wiederentdeckt“. Was dann geschah, „das war ein großer Fehler“. Das französische „Komitee zur Rettung Venedigs“ kaufte Napoleon für 355 Tausend Euro. Das Komitee ist eine jener ausländischen Einrichtungen, die mit Hilfe von Sponsorengeldern venezianische Kunstwerke und Palazzi restaurieren. Eine hochangesehene Einrichtung mit den besten Beziehungen in Venedig.

So erklärte es sich auch, dass die Stadtverwaltung gleich bereit war, die Statur wieder aufzustellen. Diese Entscheidung sorgt für Protest. Allen voran sind es die Adligen der Stadt, die es als unverschämt bezeichnen, dass ausgerechnet jener Mann mit einem Denkmal gewürdigt werden soll, der nicht nur ihre Macht zerstörte, sondern Venedigs politische Bedeutungslosigkeit herbeiführte. Einige ganz Entschiedene drohen sogar damit, der einmal aufgestellten Skulptur Schaden zuzufügen. Mitglieder der rechten Partei Lega Nord drohten sogar mit einem Attentat und der Zerstörung des Kunstwerks. Zurzeit liegt Napoleon im Museo Correr, einem der bedeutendsten Museen der Stadt. Hier wird die Skulptur von Fachleuten gesäubert. Eine Gruppe von venezianischen Bürgern, darunter nicht nur Aristokraten, haben vor kurzem ein Anti-Napoleon-Komitee gegründet. Dieses Komitee hat einen Schauprozess gegen den Korsen organisiert.

Ein Pflichtverteidiger für Napoleon

Am Samstag ging es los. Der verstorbene Kaiser wird von einem Pflichtverteidiger vertreten. Die Organisatoren des Prozesses weisen darauf hin, dass die Veranstaltung das Ziel habe, Napoleon als „Kulturschänder Venedigs“ vorzuführen. Am Ende des Prozesses soll es ein Urteil geben. Ein Urteil, das jetzt schon feststeht. Eine Holzskulptur des Kaisers soll demonstrativ im Canal Grande versenkt werden.

Thomas Migge[Rom]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false