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Panorama: Nicht die feine englische Art

Die britische Presse versteht die Klage Schröders nicht

Britische Medienfachleute und Juristen räumten dem Kampf des deutschen Bundeskanzlers um seine Privatsphäre gegen die britische Presse gestern keine guten Chancen ein. Gerhard Schröder wird fürs erste damit leben müssen, dass britische Blätter unbewiesene Geschichten, die niemanden etwas angehen, ins Blatt rücken, auch wenn das nicht die feine englische Art ist. Daran ändert auch die Anrufung eines „gemeinsamen europäischen Rechtsraums nichts", auf deren Grundlage ein Hamburger Richter der „Mail on Sunday“ gewisse Behauptungen über Schröders Familienleben untersagte – bei Zuwiderhandlung droht eine Geldstrafe von 250 000 Euro. „Noch regieren Sie hier nicht, Herr Schröder“ – das war gestern der höhnische Tenor, nicht nur in der Schlagzeile der „Mail on Sunday". Der konservative Euro-Gegner Sir Teddy Taylor zeigte sich „schockiert", sprach von einer „beängstigenden Entwicklung“ und forderte den Justizminister auf, zu dem Fall eine Erklärung im Unterhaus abzugeben. „Wir haben hier ganz andere Vorstellungen von dem Maß an Musterung, das sich ein Politiker gefallen lassen muss", sagte „Mail-on-Sunday“-Chefredakteur Peter Wright in der BBC. „Kontinentale Politiker kommen ja mit Sachen durch, das gäbe es hier bei uns nie". Er dürfte dabei aber an französische Vorbilder wie Mitterands geheimnisvolle Tochter und das Schweigen der französischen Presse über die Finanzgeschäfte von Präsident Chirac gedacht haben. Diese Fälle werden von den britschen Zeitungen mit regelmäßigem Kopfschütteln als abschreckende Beispiele für europäische Gesetze zum Schutz der Privatsphäre von Politikern beschrieben.

Der Hamburger Richter beruft sich in seinem Urteil auf die europäische Menschenrechtskonvention, die Großbritannien vor zwei Jahren in sein Recht inkorporiert hat. Doch britische Medienanwälte halten das Urteil nicht für durchsetzbar. Schröder müsse schon vor ein englisches Gericht ziehen, um eine einstweilige Verfügung durchzusetzen, glauben sie. „Er müsste einen Eid schwören, dass die Geschichte falsch ist", sagte der Medienanwalt Geoffrey Robertson im „Guardian", der dem Fall gestern eine dreiviertel Seite widmete. Mehrere prominente britische Politiker kamen ins Gefängnis, weil sie in solchen Verleumdungsprozessen Meineide schwörten. Aus den Schlagzeilen konnte der Bundeskanzler seine Geschichte natürlich nicht verbannen. Im Gegenteil. Das Hamburger Urteil sorgt dafür, dass sie europaweit Aufmerksamkeit erzielt.

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