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Abgefahren. Rodeln macht auch im Sommer Spaß.

© Alpsee Bergwelt/dpa

Nicht nur Wintersport: Sommerrodeln: heiße Schlitten

Zum Rodeln braucht niemand Schnee in Deutschland, den mehr als hundert Sommerbahnen sei Dank. Ein Überblick.

Von wegen, Sommerrodeln ist etwas für Gemütliche. Selbst ausgewiesene Rennrodler, die im Winter mit mehr als 100 Kilometern pro Stunde den Eiskanal runterbrettern, haben Respekt vor der frostfreien Alternative: „Das ist nicht ohne und kann schon anspruchsvoll sein“, sagt Julian von Schleinitz, dreimaliger Junioren-Weltmeister im Einsitzer. Schon wenige Stundenkilometer mehr oder weniger könnten den Unterschied ausmachen.

Sommerrodeln ist deshalb mehr als nur Reinsetzen und Runterfahren. Bergab geht es zwar von alleine, doch wie schnell, kann der Pilot durch Anziehen und Lösen der Bremse bestimmen. Bis zu 40 Kilometer pro Stunde sind möglich. „Allerdings erfordert dieses Tempo Respekt“, sagt Andrea Bohl vom Rodelbahn-Bauer Wiegand. In Deutschland gibt es mehr als hundert Sommerrodelbahnen. Sie sind beliebte Ausflugsziele zum Beispiel von Familien und Schulklassen. Manche Bahnen zählen bis zu 450.000 Fahrten pro Jahr. Am populärsten sind zwei unterschiedliche Systeme: die Wannenbahn, in der die Schlitten in einer Edelstahlwanne ins Tal gleiten, und der Alpine Coaster, auf dem die Rodler über eine Schiene geführt werden, ähnlich wie bei einer Achterbahn. Darüber hinaus stechen ein paar Bahnen aus der Menge besonders hervor.

Sicherheit hat auf den Bahnen oberste Priorität

Den Titel der längsten Bahn teilen sich der Schwarzwald und das Allgäu. Die beiden Alpine Coaster in Todtnau und in Immenstadt unterscheiden sich nur um wenige Meter, beide sind knapp drei Kilometer lang. Der Alpine Coaster in Oberammergau steht in zwei Disziplinen an der Spitze. Sie ist die höchstgelegene Bahn Deutschlands, sie startet auf 1270 Metern Höhe. Hin kommt man zu Fuß oder mit dem Mountainbike, wer die Kräfte für die Abfahrt sparen möchte, nimmt den Sessellift. Die Bahn ist außerdem die steilste in Deutschland, laut Hersteller hat sie ein Durchschnittsgefälle von 20 Prozent. Die Rodler überwinden auf ihrer Abfahrt einen Höhenunterschied von 400 Metern, verteilt auf 73 Kurven, neun Sprünge und sieben sogenannte Wellen. Die höchste Stelle der Bahn liegt dabei vier Meter über dem Boden.

Wem das nicht aufregend genug ist, der kann sich in Garmisch-Partenkirchen versuchen. Der höchste Punkt liegt zwölf Meter über der Erde – hoch genug, um ein spektakuläres Panorama über die Landschaft zu eröffnen. Vorausgesetzt, nach den drei Etagen-Kreiseln ist dem Piloten nicht zu schwindelig, um die Aussicht zu genießen. Die 850 Meter lange Bahn in Garmisch-Partenkirchen ist eine Wannenbahn, bei Regen oder nasser Strecke wird der Betrieb aus Sicherheitsgründen gestoppt. Grundsätzlich gilt: Sicherheit auf den Bahnen hat oberste Priorität. Warnschilder wie „Achtung Kurve – Bremsen“ sollte man ernst nehmen. Wer doch einmal einen Unfall hat, sollte die Bahn sofort verlassen und die nachfolgenden Fahrer warnen, rät Experte Klaus Simon vom Tüv Rheinland. Die meisten Unfälle entstehen durch zu nahes Auffahren, deshalb sollten mindestens 25 Meter Abstand zum Vordermann eingehalten werden.

Wer sich klein macht, wird schneller

Wer sich an die Spielregeln hält, kann sich ans höhere Tempo rantasten. Profi von Schleinitz rät, sich „nach innen in die Kurven zu legen“, um nicht aus der Bahn gedrückt zu werden. Wer es noch schneller mag, sollte sich möglichst klein machen: „Die Aerodynamik spielt beim Rodeln eine große Rolle.“ Ansonsten gilt das Gleiche wie im Straßenverkehr: „Über schönes, gleichmäßiges Fahren kommt man eher auf eine gute Zeit als im Hau-Ruck-Verfahren.“ So könne man sich ans schnelle Fahren herantasten und ein Gefühl für den Schlitten bekommen.

Wer schon etwas fortgeschrittener ist, kann sich auf der Wasserkuppe in der Rhön mit anderen messen. Die erste Bahn dort wurde 1975 in Betrieb genommen, 1989 kam eine zweite, parallel verlaufende Strecke hinzu. Seitdem können Rodler dort auf je 700 Metern Länge gleichzeitig gegeneinander antreten. Zum Schluss noch eine gute Nachricht für Küstenmenschen: Zwar sind Rodelbahnen im Norden Deutschlands rar gesäht – ganz einfach weil die Berge fehlen –, aber auf Rügen gibt es seit 2015 eine Abfahrtsmöglichkeit. Die ist mit 27 Metern Höhenunterschied auf 700 Metern Länge zwar nicht sonderlich spektakulär, für Kinder allerdings umso besser geeignet.

Oliver Kauer-Berk/dpa

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