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Panorama: Nichts gelernt?

Vor zehn Jahren sank die Estonia – Experten warnen

Die Nacht zum 28. September wird Esa Mäkelä nie mehr vergessen. Damals, in den frühen Morgenstunden des 28. September 1994, stand Mäkelä als Kapitän auf der Brücke der finnischen Fähre Silja Europa, als ein Notruf der Estonia einging. „Mayday, mayday“ – es gab keinen Zweifel, dass die estnische Fähre auf ihrem Weg von Tallinn in die schwedische Hauptstadt Stockholm im schweren Wetter dieser Nacht in eine akute Notlage geraten war. Mäkelä änderte den Kurs seines Ostseeriesen und hielt Kurs auf die Estonia. Was er am Unglücksort zu sehen bekam, beschäftigt ihn noch heute. Die Fähre war bereits gesunken, im herbstkalten Wasser kämpften hunderte von Menschen ums Überleben. „Es war fantastisch, dass wir 137 Passagiere retten konnten“, sagt er heute, fügt dann schnell hinzu, dass jede Hilfe für 852 Menschen zu spät kam.

Es war die größte zivile Schifffahrtskatastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute, zehn Jahre nach dem Untergang, begehen die Angehörigen der Opfer diesen Jahrestag. Mäkelä sieht weiterhin kritisch , wie es um die Sicherheit auf See bestellt ist. „Die Chance, jemanden aus dem tobenden Meer zu retten, ist gleich null“, sagt er. Auch andere Experten zeigen sich wenig überzeugt, was in den vergangenen Jahren in Bezug auf die Sicherheit unternommen worden ist.

Fünf schwedische Parlamentarier sehen das ähnlich. „Das Risiko ist groß, dass sich so ein Desaster noch einmal ereignen kann, wenn wir nicht die genauen Untergangsursachen kennen“, schrieben sie vergangene Woche in einem Brief an die Regierung und forderten erneut eine lückenlose Aufklärung des Untergangs.

Doch gerade die Aufklärung ist von den beteiligten Ländern immer wieder behindert worden. Die genaue Untergangsursache bleibt ungeklärt. Nach einem 1997 vorgelegten Untersuchungsbericht trifft die Meyer-Werft in Papenburg, die die Estonia gebaut hat, ein Großteil der Schuld. Nach Ansicht der Schifffahrtsexperten habe ein Konstruktionsfehler der Bugklappe zu dem Untergang geführt. Im krassen Gegensatz zu diesem Ergebnis steht die von der Meyer-Werft selbst in Auftrag gegebene Untersuchung. In dem Bericht werden der estnisch-schwedischen Reederei grobe Wartungsmängel und der estnischen Besatzung schwere Verhaltensfehler vorgeworfen. Der Estonia-Überlebende Härstedt hat die Hoffnung nach Aufklärung noch nicht aufgegeben. „Ich bin mir sicher, es wird eine neue Untersuchung geben, die Frage ist nur, wann.“

Helmut Steuer[Stockholm]

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