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Panorama: Noch 45 Nächte bis Sylvester (Glosse)

Letztes Wochenende im Party-Getümmel: "Hey, sag mal. Was machst du eigentlich Silvester?

Letztes Wochenende im Party-Getümmel: "Hey, sag mal. Was machst du eigentlich Silvester?" Ähem, ... Schlagartige Stille. Da war sie wieder: die Frage, die Leuten meines Alters das Blut stocken lässt. Man erwartete sie bereits und hätte sie vermutlich selbst gleich gestellt. "Ich weiß noch nicht. Und du?" "Ich auch nicht. Aber man soll sich ja nicht verrückt machen lassen - ein Jahreswechsel wie jeder andere." Ich schaue müde drein, spüre, wie Panik sich langsam meiner bemächtigt. "Was soll das heißen: wie jeder andere?" Es hat bislang erst einen Jahrtausendwechsel gegeben, und das ist doch ganz schön was. Das Datum klein reden hilft jetzt auch nicht mehr. Wer in dieser Nacht nicht weiß, was er machen soll, der hat schwerwiegende Probleme. Deshalb trifft die harmlose Frage direkt ins Grundsätzliche: Wir, die wir so um die 30 sind, wollen uns nicht festlegen. Oder können es nicht. Und das merken wir jetzt. Tja.

Es gebe keine Verbindlichkeiten mehr, alles sei machbar, lautet ein beliebtes Argument, das den Ernst der Lage immer wieder abzufedern versucht. "Ich könnte zum Beispiel morgen entscheiden", sagt J., "meinen derzeitigen Job an den Nagel zu hängen. Nichts würde mich aufhalten." "Aber du verdienst doch großartig", wende ich ein. "Der Punkt ist", sagt er: "Ich habe nicht mal den Ehrgeiz, Karriere zu machen." Sondern? - Schweigen. In solche Sinnkrisen stürzt einen die Frage, was denn jetzt werden soll Silvester.

Nur noch 45 Nächte - und wir wissen immer noch nicht, wo wir am liebsten wären. Wann, wenn nicht jetzt die Konsequenzen ziehen. Statt hypnotisiert dem magischen Datum entgegenzutreiben wie auf reißende Stromschnellen, die man hinter der Flussbiegung bereits donnern hört, das Paddel ergreifen und rudern. Sofort entwerfe ich ein Silvesterprogramm: Was will ich essen? Austern. Welcher Wein wäre angemessen? Er dürfte nicht unter 16 Mark kosten. Mit wem will ich den Abend verbringen? Ich muss es ihr bald sagen, damit sie nicht anderweitig verplant ist. Sollte es schon zu spät sein: für Alternativen sorgen. Schon sind meine Atemwege wieder frei. Da tritt C. hinzu und lädt mich ein. "Oh, echt? Ihr macht eine Party. Ist ja prima! Ich muss mal sehen, ob ich kommen kann."

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