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NS-Vergangenheit: Unter falschem Kreuz

Das Deutsche Rote Kreuz hat seine Rolle in der Nazizeit untersucht - und gibt schwere Verfehlungen zu.

Berlin - Er hatte sich dem Helfen verschrieben und arbeitete doch den Nazis zu. Die Rede ist von einem Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der in der Nazizeit als Sanitäter für ein Lager mit Zwangsarbeitern eingeteilt war. Eine polnische Arbeiterin erinnerte sich nach ihrer Befreiung daran, dass der Mann rücksichtslos aufgetreten sei und die Beschwerden der Zwangsarbeiter nicht ernst genommen hatte. Dies ist ein Beispiel aus einer Studie, welche die Hilfsorganisation am Montag in Berlin zu ihrer Geschichte in der Nazizeit vorlegte. Beauftragt mit der Untersuchung waren die Historikerinnen Birgitt Morgenbrod und Stephanie Merkenich. Sie stellten eine enge Zusammenarbeit zwischen der Hilfsorganisation und den Nazis fest.

Die Rotkreuzfahne neben dem Hakenkreuz – diese schwer vorstellbare Kombination wurde nach der Machtergreifung der Nazis rasch Wirklichkeit. Schon in den Sommermonaten des Jahres 1933 schloss das DRK seine jüdischen Mitglieder aus, obwohl die Anweisung dazu erst im November kam. Ihre Organisation sei ein „willfähriger Partner“ der Nationalsozialisten gewesen, sagt der Vorstand des DRK heute. 1936 wurde der Reichsarzt der SS, Ernst Robert Grawitz, der mitverantwortlich für die medizinischen Experimente an KZ-Häftlingen war, Präsident des DRK und sorgte für seine Gleichschaltung. Die Ärzte und Schwestern bekamen ideologische Schulungen mit Schwerpunkt Rassenkunde, ab 1939 wurde die Arbeit ganz auf die Bedürfnisse der Wehrmacht ausgerichtet. Es sei nunmehr die Stunde gekommen, hieß es in einer DRK-Schrift aus dieser Zeit, „dem Schirmherrn des Deutschen Roten Kreuzes, dem Führer Adolf Hitler den Dank durch die Tat abzutragen.“

Bis zum Frühjahr 1945 waren Schätzungen zufolge 660 000 DRK-Kräfte im Kriegseinsatz, wo sie die deutschen Soldaten in den Lazaretten pflegten. Dabei konnten sie ihre Augen vor den Verbrechen der Nazis nicht verschließen: Sie habe, berichtete eine Schwester nach dem Krieg, Hunderte von ausgemergelten Gefangenen gesehen, die „wie Tiere am Zaun“ hingen. Dennoch trug das DRK dazu bei, die wahren Zustände gegenüber seinen Partnerorganisationen im Ausland zu verschleiern. Zum Besuch des dänischen Roten Kreuzes 1944 in Theresienstadt hatte die SS den Häftlingen aufgetragen, die Häuser zu streichen und Blumenbeete anzulegen. Die Dänen zeigten sich zufrieden, ebenso der deutsche DRK-Mitarbeiter, der sie begleitete: „Auf sämtliche Herren war der Gesamteindruck der Siedlung sehr gut.“

Sie schäme sich für „meine stolze Kriegsbegeisterung und die Abenteuerlust, für meine Leichtgläubigkeit und die falschen Ideale“, sagte eine DRK-Schwester nach dem Krieg. Es gab aber auch diejenigen, die schon damals nicht mitmachen wollten. In demselben Lager, in dem die polnische Zwangsarbeiterin auf den nach ihren Angaben hartherzigen DRK-Mitarbeiter traf, quittierten etliche andere aus Empörung über die Verhältnisse den Dienst. Dabei taten sie sich schwer damit, die ihnen Anvertrauten allein zu lassen. So wurden von einem DRK-Mitarbeiter Postkarten gefunden, auf denen er den Kranken schrieb, dass er nicht mehr zu ihnen kommen könne.

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