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Flocke

© dpa

Nürnberg: Flockes Welt

Das Gehege in Nürnberg ist größer und schöner als das von Knut in Berlin – auch ist die Eisbärin lebhafter und munterer.

Vergnügt springt Flocke durch das Gehege. Das Einbärbaby in Nürnberg scheint erheblich agiler zu sein, als Knut in diesem Alter. Flocke klebt auch nicht immer an ihren Pflegern und nuckelt an ihnen herum, wie Knut das getan hat. Neben Flocke wirkt Knut im Nachhinein wie ein Muttersöhnchen. Als niedliches hilfsbedürftiges Tierbaby hatte Knut die Herzen der Menschen gewonnen. Die „Abendzeitung“ in München fragte: „Flocke vs. Knut – Wer hat mehr Starpower?“: Knut sei eine „Rampensau mit einzigartiger Präsenz vor Publikum“, aber „Flocke ist ein Mädchen, mit dem Zeug zur Volksheldin“.

Gestern wurde Flocke erstmals offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt – am ersten Tag aber nur den Medien. 450 Reporter und Kamerateams aus aller Welt scharten sich um das Gehege, um einen Blick auf das Eisbärmädchen zu werfen.

Auffallend ist aber nicht nur, dass Flocke munterer und lebhafter ist als Knut, Flocke lebt unter erheblich besseren Bedingungen. Das Gehege in Nürnberg ist dem Augenschein nach deutlich größer als das in Berlin.

Auch hat Flocke einen eigenen schönen Wasserfall und viel mehr Baumstämme und Felsen zum Klettern. Die Nürnberger haben sich richtig Mühe gegeben. Sie wollten wohl unbedingt den Rummel um Knut übertreffen.

Dabei wollte der Zoo Flocke anfangs noch verhungern lassen, wenn sie vom Muttertier nicht angenommen würde. Auch prangerten die Nürnberger die „Knut-Hysterie“ an.

Jetzt haben sie alles nachgemacht. Und der Zoologische Garten in Berlin steht schlecht da, weil sich der umtrittene Zoodirektor beharrlich weigert, Knut eine größeres und schöneres Gehege zu geben. Damit Flocke von den Kameras nicht erschreckt wird, hatten die Pfleger für den großen Auftritt sogar geübt: Lange Plastikrohre sollten Teleobjektive nachstellen, in die hat die Babybärin aber sogleich voller Freude hineingebissen.

Die Bärin sei den Pflegern sehr ans Herz gewachen, sagten Petra Fritz und Harald Hager gestern – er trägt wie Thomas Dörflein in Berlin eine Vokuhila-Frisur. Wie das Tierchen denn rieche? „Völlig normal, vielleicht machmal ein bisschen säuerlich“, sagt Petra Fritz. Das kommt davon, dass sich so ein Baby manchmal im eigenen Urin wälze.

35 Eisbären wurden bislang schon in Deutschland als „Flaschenkinder“ vom Menschen aufgezogen, doch erst durch Berlins Knut und seinen Hauptpfleger Thomas Dörflein brach eine weltweite Eisbärenmanie aus, von der Zoos, Medien, Wirtschaftsunternehmen – aber auch der Artenschutz profitiert. Mit den fünf Millionen Euro Mehreinnahmen des Berliner Zoos werden auch Naturschutzprojekte finanziert, und auch Nürnberg freut sich auf bis zu 15 Prozent Linzenzeinnahmen. Ganz abgesehen von den Besucher-Eintrittsgeldern.

Kritische Tierschützer protestierten vor dem Haupteingang. Frauen in Eisbärkostümen hielten Plakate hoch: „Born to be wild. Ich bin ein Polarbär – holt mich hier raus“. Und weiter: „Für meine gnadenlose Vermarktung zahle ich einen hohen Preis.“ Die Bärin werde zu einer Werbeträgerin degradiert und verschwiegen, dass sie später das triste, womöglich verhaltensgestörte Dasein eines Zootieres fristen werde, kritisiert Vereinsmitglied Elisabeth Mederer. Sie bezweifelt zudem, dass die Prominenz der deutschen Zooeisbären dabei helfen werde, den Menschen zum Konsum-Verzicht wegen des Klimaschutzes zu bringen. „Knut und Flocke sind ja niedlich, aber sie gaukeln eine heile Welt vor. Sinnvoller wäre ein leerer Käfig, um die vom Aussterben bedrohte Art zu symbolisieren, aber das will ja keiner“, sagt Cornelia Schamicke. Zudem sei die geplante Lagune im Tiergarten-Delfinarium „auch nichts weiter als ein Betonbecken mit ein bisschen Schnickschnack drumherum.“ Unterdessen haben Hotels, Pensionen – und auch die Sicherheitsdienste der Deutschen Bahn durch den am heutigen ersten Publikumstag erwarteten Riesenansturm gut zu tun. 25 000 Zoogäste wollen kommen, da werden Busse, Bahnen und Trams öfter fahren, es wurden auch mehr Parkplätze eingerichtet. „Jeden Kilometer, den sie mit dem Fahrrad fahren, statt mit dem Auto hilft den Treibhauseffekt zu verringern“, appellierte Zoo-Chef Dag Encke gestern.

Weitere Fotos von Flocke unter:

www.tagesspiegel.de/weltspiegel

Annette Kögel

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