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O.J. Simpson: Skandal-Comeback endet als Blamage

Die anhaltende öffentliche Entrüstung war zu groß. Der Konzern des Medienmagnaten Murdoch verzichtet auf die Veröffentlichung des umstrittenen Buchs mit einer fiktiven Mordbeichte des früheren Football-Stars O.J. Simpson.

Washington - Sollte es ein verschleiertes Geständnis sein? Ein Akt der Seelenreinigung? Ein Beitrag zur Wahrheitsfindung? Das Publikum wird es nicht erfahren. Die als Mediensensation angekündigte fiktive Mordbeichte des früheren Football-Stars O.J. Simpson endete als Blamage. Die öffentliche Entrüstung über Simpson war so groß, dass der Konzern des Medienmagnaten Rupert Murdoch die für kommende Woche geplante Buchveröffentlichung samt Fernsehinterview absagte. Er stimme mit der US-Öffentlichkeit überein, "dass dies ein unüberlegtes Projekt war", erklärte Murdoch, der sonst nicht für kleinlautes Beigeben bekannt ist. Dem Rückzieher gingen Boykottankündigungen von Fernsehsendern und Werbekunden voraus.

"Wenn ich es getan hätte"

In dem Buch wollte Simpson schildern, wie er den Mord an seiner Ex-Frau Nicole Brown Simpson und ihrem Freund Ron Goldman begangen hätte - mit Betonung auf "hätte". Schließlich hatte ihn ein Gericht 1995 in einem Sensationsprozess freigesprochen, auch wenn die meisten US-Bürger von seiner Schuld überzeugt waren. Simpson präsentierte sich nun als Killer im Konjunktiv: "Wenn ich es getan hätte" ("If I did it"), sollte das Buch heißen. "Wenn ich es getan hätte", darüber dürfte nun auch Rupert Murdoch grübeln. Wahrscheinliches Ergebnis des Nachdenkens: Die Veröffentlichung hätte den Geschäften mehr geschadet als genutzt.

Die Öffentlichkeit nahm das Projekt weithin als Beleg für die gewissenlose Profitgier Simpsons und seiner Medienpartner auf. Nach allem, was bekannt wurde, hätte die Suche nach der Wahrheit in dem grausamen Doppel-Mordfall auch diesmal wieder im Ungewissen geendet. Der Verdacht lag nahe, dass die Suche ohnehin zuvorderst dem schnellen Dollar galt. Im Weihnachtsgeschäft boomen die Umsätze in den Buchläden, und Ende November stellen die US-Medienforscher traditionell ihre Detailerhebung zu Einschaltquoten an. Anhand der Mediadaten aus diesem so genannten "November Sweep" werden die Preise für TV-Werbespots berechnet, weswegen derzeit alle Sender ihre Quote nach oben treiben wollen.

Mediencoup löste Empörung und Boykotte aus

Ein Dutzend lokaler Tochtersender von Fox hatten sich allerdings geweigert, das für Montag nächster Woche geplante Interview auszustrahlen. "Von dieser Sendung wird allein O.J. Simpson profitieren, und wir haben kein Interesse daran, ihn profitieren zu lassen", sagte Mike Angelos von der Firma Pappas Broadcasting, die vier Fox-Lokalsender betreibt. Er berichtet von einer Lawine empörter Anrufe von Zuschauern. Angelos setzte das Interview ab.

Fred Goldman, der Vater des ermordeten Ron Goldman, gab den Ton der empörten Debatte vor: "Er hat zwei Menschen massakriert und das Gericht als freier Mann verlassen. Nun verherrlicht er das alles in einem Buch. Das ist krank. Er soll in der Hölle schmoren." Murdoch zeigt sich inzwischen reuevoll: "Wir bedauern jeglichen Schmerz, den dies alles den Familien von Ron Goldman und Nicole Brown Simpson zugefügt hat."

Fall Simpson übt weiterhin Faszination aus

Dass O.J. Simpson überhaupt noch ein großes Thema ist, belegt die Faszination, die dieser Fall auf viele Menschen in den USA ausübt. Während des Prozesses zwischen Januar und Oktober 1995 war Simpson ein Quotenkönig. Mehr als hundert Verhandlungstage wurden im Fernsehen übertragen. Ein Publikumsliebling unter Mordverdacht - das garantierte Aufmerksamkeit. Mit Verwunderung nahm die Öffentlichkeit dann den überraschenden Freispruch zur Kenntnis.

Viele US-Bürger fühlten sich in ihrem Urteil bestätigt, als ein Zivilgericht O.J. Simpson 1997 zu einer Schadenersatzzahlung von 33,5 Millionen Dollar an die Hinterbliebenen der Mordopfer verurteilte. Das US-Justizssystem macht solche offenkundig widersprüchlichen Urteile in Straf- und Zivilverfahren möglich. Bislang hat O.J. Simpson jedoch nicht gezahlt. Er lebt in seiner Villa in Florida und bezieht eine Rente aus seiner Zeit als Football-Star. Den Gesetzen in Florida zufolge sind weder Wohnsitz noch Rente pfändbar. Für das Buchprojekt hätte Simpson laut Medienberichten 3,5 Millionen Dollar erhalten sollen. (Von Peter Wütherich, AFP)

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