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Öffentliche Selbstdemontage: Charlie Sheen inszeniert seinen Untergang

Polygamie, Alkohol, Drohungen: Charlie Sheen machte in den vergangenen Wochen ständig neue Schlagzeilen. Bei seiner Selbstdemontage hält den Star von "Two and a Half Men" niemand auf.

Berlin - Ein Drehbuchautor müsste sich wohl heftige Kritik gefallen lassen, würde er sich solche Szenen ausdenken, zu dramatisch, zu unrealistisch muten sie an: Ein millionenschwerer Fernsehstar verschanzt sich mit einer Pornodarstellerin und einem Model in seiner Villa, beschimpft seinen Arbeitgeber mit antisemitischen Sprüchen, droht seiner Frau, ihren Kopf abzuhacken und ihn ihrer Mutter zu schicken, die daraufhin die Polizei verständigt, um ihm die zwei gemeinsamen Söhne wegnehmen zu lassen.

Doch all das ist kein Trash-TV übelster Sorte. Es ist das echte Leben des Golden-Globe-Preisträgers Charlie Sheen, der mit seiner Serie „Two and a Half Men“ nicht nur in den USA, sondern ausgestrahlt auf ProSieben auch in Deutschland enorme Erfolge feiert – und sich zurzeit öffentlich so dermaßen demontiert, wie wohl selten ein Schauspieler zuvor. Womit sich Sheen sogar noch brüstet. Er lasse Frank Sinatra, Errol Flynn und Keith Richards aussehen wie schläfrige, harmlose Kinder, sagte er in einem Interview.

Seit Jahren ist der 45-Jährige bekannt für seine Drogen-, Gewalt- und Sexexzesse, aber in den vergangenen Wochen machte er fast täglich neue Schlagzeilen.

Es wirkt, als spiele Sheen privat seine Serien-Rolle weiter. Seit 2003 gibt er als Charlie Harper in „Two and a Half Men“ den polternden Womanizer, stets einen Cocktail in der Hand und einen Macho-Spruch auf den Lippen. Es ist die erfolgreichste Fernsehserie in den USA. Knapp zwei Millionen US-Dollar verdient Sheen, der der Sohn des Charakterdarstellers Martin Sheen ist und bereits in Kinofilmen wie „Platoon“ und „Wall Street“ zu sehen war, pro Folge und ist damit der bestbezahlte Seriendarsteller der Vereinigten Staaten. In Deutschland verfolgten zuletzt durchschnittlich 2,6 Millionen Zuschauer die siebte Staffel, ab Dienstag zeigt ProSieben um 21 Uhr 15 die neuen Folgen, in denen Sheen als Harper weiter säuft, raucht und hurt.

Doch während es bei Dreharbeiten einen Regisseur gibt, der „Cut“ ruft, hat Sheen als Regisseur seines eigenen Lebens offenbar vergessen, einen Schnitt zu setzen. Vergangene Woche gab es den vorläufigen Höhepunkt seiner ganz privaten Reality-Show zu sehen. Sheen stellte seine neuen Gespielinnen vor: Pornostar Rachel Oberlin und Model Natalie Kenly, beide 24, von Sheen „Göttinnen“ genannt. „Wir verbringen einfach ein bisschen Zeit miteinander, aber machen keine großen Partys. Wir sind ganz normale Leute“, sagte Sheen einer Reporterin des amerikanischen Senders ABC. Seinen polygamen Lebensstil verteidigte er als „etwas unkonventionell“, aber er funktioniere gut. Einen Vergleich mit „Playboy“-Gründer Hugh Hefner lehnte er allerdings ab. „Der ist doch ein Amateur!“ Seine Frau Brooke Mueller ließ daraufhin die beiden gemeinsamen einjährigen Zwillingssöhne von der Polizei abholen, Sheen drohte ihr mit der Köpfung. Weitere Provokationen folgten in zahlreichen Interviews. „Ich bin auf Droge, die Droge heißt Charlie Sheen!“, sagte er, „Ihr wollt Krieg mit mir? Den könnt Ihr haben!“, kündigte er an, er habe „Tigerblut“, seine Konstitution sei „extraterrestrisch“. Bereits 2009 war Sheen nach einem Messerangriff auf seine inzwischen von ihm getrennt lebende dritte Ehefrau Mueller knapp um eine Gefängnisstrafe wegen häuslicher Gewalt herumgekommen. Im Oktober soll er nach einer durchzechten Nacht in einem New Yorker Hotel eine Prostituierte verprügelt haben. Ende Januar brach er nach einem Party-Marathon, bei dem zu Cocktails auch ein „Aktenkoffer voll Kokain“ gereicht worden sein soll, zusammen und kam ins Krankenhaus. Zwar begab sich Sheen daraufhin in eine Entzugsklinik, schwärmte aber zwei Wochen später schon wieder von seinen Rauschzuständen. Nüchtern zu sein, sei „langweilig“, verkündete er.

Zumindest in einer Sache ist Sheen konsequent: Im Fernsehen wurde er zum Star, im Fernsehen inszeniert er seinen Untergang. Und seine Fans schauen mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen zu. Für viele Männer ist er der Macho, den sie insgeheim selbst wohl ab und zu gerne geben würden. Auch deshalb dürfte „Two and A Half Men“, das in mehr als 50 Ländern ausgestrahlt wird, so erfolgreich sein. Denn wenn Männer heute schon selbst ihre Hemden bügeln und die Kinder hüten müssen, können sie wenigstens Sheen beim Lotterleben zugucken – in der Serie wie in der Realität. Und jetzt lässt Sheen sie sogar live an seinem Leben teilhaben, per Twitter. Am Dienstag eröffnete er bei dem Kurznachrichtendienst ein Konto, innerhalb eines Tages hatte er über eine Million Follower. Das ist keinem Star zuvor gelungen, er könnte ins Guinness-Buch der Rekorde kommen, meldet der US-Blog „Mashable“. Inzwischen ist fast eine weitere Million dazugekommen. „Lass dich nicht verbiegen“, twittert ihm ein Fan, „Charlie ist Chef“, jubelt ein anderer. Sheen dürften solche Reaktionen nicht nur in seinem Verhalten bestärken, sondern sie bieten ihm auch eine neue Einkommensmöglichkeit – die er schneller als gedacht gebrauchen kann.

Hatten sich der Sender CBS und die Produktionsfirma Warner Brothers nach dem Entzug im Februar noch hinter ihren Star gestellt und gesagt, dass die für den Entzug unterbrochenen Dreharbeiten zu „Two and a Half Men“ fortgesetzt würden, sobald es Sheen besser gehe, gaben sie jetzt das vorläufige Aus der Serie bekannt. Denn statt Besserung zu geloben, hatte Sheen den Produzenten der Serie, Chuck Lorre, als „verrottete Made“ bezeichnet, er wünsche ihm „nichts als Schmerz“, sagte Sheen in einem Interview der Medienseite TMZ.com. Dem nun arbeitslosen Fernsehstar winkt jedoch ein kleines Taschengeld von einer Million US-Dollar. Die Agentur „Ad.ly“, die Promis für werbeträchtige Kurzbeiträge entlohnt, hat ihn unter Vertrag genommen. „Klein geboren. Jetzt riesig. Am Gewinnen.“, twitterte Sheen. Ein „Cut“ ist nicht in Sicht.

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