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Offshore-Bohrungen: Vorstoß in die Tiefsee

Kurzfristig gibt es nach Expertenansicht keine Alternative zu Offshore-Bohrungen.

Mit jedem Liter Erdöl, der in 1500 Metern Tiefe aus dem Untergrund in das Wasser des Golfs von Mexiko strömt, stellen Naturschützer, Umweltverbände und auch Politiker die Tiefseebohrungen immer dringlicher infrage. Und bis das Leck im Herbst vielleicht gestopft ist, werden noch viele Liter aus dem Bohrloch sprudeln. Auf die zunehmend lauter gestellte Frage nach dem restlichen Risiko aber gibt es keine einfache Antwort. Zumindest keine kurzfristige, die lautet: Tiefseebohrungen sofort stoppen.

Zu groß ist der Bedarf am Energielieferanten Öl. „Der große Hunger nach Produkten aus Erdöl wird uns noch länger begleiten“, sagt der Spezialist für Bohrtechnik am Institut für Erdöl- und Erdgastechnik der Technischen Universität Clausthal, Catalin Teodoriu. Der Professor für Bohrtechnik gilt als einer der Kandidaten für die Kommission, die in den USA die Ursachen für die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko aufklären soll. Immer neue Bohrungen, die bisher unbekannte Erdöllagerstätten finden und erkunden sollen, suchen nicht nur nach Nachschub für unseren Treibstoff: „Erdöl steckt bei weitem nicht nur in Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl“, erklärt der Ingenieur. Ohne die schwarze Flüssigkeit könnten viele Dinge des Alltags vom Computer und Laptop bis zum Telefon nicht hergestellt werden.

Das Umstellen auf „erdölfreie“ Produkte und Treibstoffe aber wird nach einhelliger Meinung aller Fachleute einige Jahrzehnte in Anspruch nehmen. „So lange werden die bekannten Vorräte auf dem Festland und im Küstenbereich kaum reichen“, erklärt Teodoriu. Da die Gebiete inzwischen gut untersucht sind, sind größere neue Funde dort kaum zu erwarten.

Also suchen die großen Firmen inzwischen auch in der Tiefsee nach Öl. Vor Brasilien starten die Bohrmeißel zum Beispiel am Grund des Atlantiks in Tiefen von 2000 Metern. „Vor 20 Jahren waren solche Unternehmen noch undenkbar“, erläutert Teodoriu. Und doch ist die Bohrung der „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko heute Stand der Technik. „Das Risiko der Bohrung war dort sehr klein“, betont der Wissenschaftler.

Zumindest kurzfristig steht deshalb die Sicherheitstechnik im Fokus. Zentraler Bestandteil der Sicherheitsmaßnahmen ist der sogenannte Blow Out Preventer, kurz BOP genannt. Dieser BOP unmittelbar über dem Bohrloch soll dieses verschließen, wenn Öl oder Gas unkontrolliert nach oben schießen. Hydraulisch sollen Schieber den Strom aus der Tiefe stoppen. Versagen die ersten beiden Typen dieser Verschlüsse, bleibt eine dritte Reihe von Schiebern mit Schneiden, die Hindernisse im Rohr durchschneiden und so die Bohrung abdichten.

Neuere Entwicklungen, die in Norwegen und Brasilien bereits eingesetzt werden, von der „Deepwater Horizon“ aber nicht verwendet wurden, haben einen Sicherheitsschalter, wie er ähnlich auch in Eisenbahnen eingesetzt wird: Dort muss der Lokführer alle 30 Sekunden einen Schalter drücken oder ein Pedal treten. Bleiben Handgriff oder Tritt aus, warnen ihn ein optisches und akustisches Signal. Kommt immer noch keine Reaktion, führt eine Automatik eine Zwangsbremsung aus. Bei Bohrungen entspricht ein akustisches Signal von der Bohrplattform dem Handgriff. Fällt die Akustik aus, schließt ein automatisches System den BOP.

Während der Bohrung überprüft die Mannschaft den BOP alle zwei Wochen. Alle Tests werden von den Ölbehörden beobachtet. Nach den von BP freigegebenen Protokollen gab es dabei auf der „Deepwater Horizon“ keine Fehler. Und doch hat der BOP versagt. Auch ein Unterwasserroboter konnte die Schieber nicht schließen. „Das deutet auf ein mechanisches Problem hin“, erklärt Teodoriu.

Was aber wirklich im BOP passiert ist, wird wohl erst die Untersuchungskommission klären, zu der auch Teodoriu gehören könnte. Ist die Ursache dann bekannt, können die Behörden weitere Sicherheitsmaßnahmen verlangen, die solche Vorfälle verhindern und so das Risiko zukünftiger Bohrungen in der Tiefsee weiter verringern. „Verzichten können auch Natur- und Umweltschützer auf solche Bohrungen kaum“, meint Teodoriu. Schließlich benötigen auch sie Erdölprodukte, um mit verschiedenen Aktionen zum Beispiel gegen Walfang zu protestieren, den der Wissenschaftler ebenfalls ablehnt.

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