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Panorama: Ohne Worte

Kreative Werbung setzt auf Emotionen. Deutsche Agenturen haben beim Festival in Cannes gute Chancen

Cannes/Hamburg Während in Deutschland über Werbeverbote und nervende Werbepausen debattiert wird, liefern Spots und Plakate „made in germany“zunehmend auch im Ausland reichlich Diskussionsstoff. Denn deutsche Agenturen räumen auf internationalen Wettbewerben die Kreativpreise ab. 55 Kampagnen aus Deutschland wurden zum Beispiel beim diesjährigen Werbefestival in New York im Januar prämiert, 2002 waren es nur 32 und 2000 gar keine. Am Sonntag hat das Werbefilmfestival von Cannes begonnen, bei dem deutsche Beiträge im vergangenen Jahr vier Preise gewannen, darunter der Film der Automarke Audi, in dem Dustin Hoffman in Anlehnung an den Filmklassiker „Die Reifeprüfung“ seine Tochter vor dem falschen Bräutigam rettet.

Ein Löwe von Cannes gilt als Ritterschlag der Branche. Prämiert werden auf den Festivals ausschließlich kreative Kampagnen. „Die reine Information ist gar nicht mehr gewollt“, sagt Prof. Volker Trommsdorff von der Technischen Universität Berlin. „Die Menschen kaufen heute ein emotionales Gefühl“, beobachtet der Werber Stefan Kolle aus Hamburg. Sein Unternehmen hat bereits zwei Mal einen Goldenen Löwen in Cannes gewonnen. Traditionelle Werbe-Muster werden auf Dauer keinen Erfolg haben, meint Kolle. Ein Indiz dafür ist, dass sich auch immer mehr Unternehmen in Cannes über neue Kreativtrends informieren. „Früher war das eine reine Agenturveranstaltung, jetzt sind auch die globalen Werbetreibenden präsent“, sagt Markus Weber vom Branchenblatt „Werben und Verkaufen“.

Ein wichtiger Trend ist die Bildersprache: Immer mehr Anzeigen und Filme verzichten auf Texte. „Die Botschaft muss heute visuell gedacht werden, in einer Sekunde muss die Botschaft vermittelt werden.“ Trommsdorff, der Studien zur Werbewirkung erstellt hat, weiß, wie viel Wernung auf den Verbraucher heute einprasselt. Ein Zeitschriftenleser verweilt maximal ein bis zwei Sekunden auf einer Anzeige. „In dieser Zeit muss etwas passieren“, sagt er.

Markenexperte Klaus Brandmeyer sieht diesen Trend sehr kritisch: Die gezeigten Impressionen würden immer austauschbarer. Zudem würden immer weniger Informationen als Kaufgründe geliefert – was aber Auftrag von Werbung sei. „Die höchste Glaubwürdigkeit hat doch heute der Handzettel eines Supermarktes“, meint er.

Auch Trommsdorff beobachtet „fehlgeleitete Kreativität“. „Sicher wird viel imitiert. Da sind die Kunden einfach nicht mutig genug“, meint er. Angesichts wirtschaftlich schwieriger Zeiten seien sowohl Unternehmen als auch Agenturen „ängstlicher“ geworden, gibt Werber Kolle zu. Häufige werde nach einem Kompromiss gesucht, dann komme am Ende nur eine „breite Massenlösung“ heraus.

Nach Ansicht vieler Experten werden Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, Plakate als klassische Werbeträger künftig an Bedeutung verlieren. „Die Unterbrecher-Werbung ist auf der Abschussliste“, prophezeit Trommsdorff. Als das „große Thema“ nennt Markus Weber Alternativen wie Event-Marketing, Sponsoring – und Product Placement, bei dem Markenartikel scheinbar zufällig in Spielfilmen und TV-Programmen auftauchen.

Auch bei den Festivals sind die Kategorien immer mehr geworden. Mittlerweile werden auch Internet-Auftritte, Direkt-Marketings und in diesem Jahr erstmals auch Radio-Spots prämiert. dpa

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