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Eine Mitarbeiterin des Landeskriminalamtes am Mittwoch in Höxter (Nordrhein-Westfalen) in der Einfahrt zum Haus eines Ehepaares, das jahrelang Frauen gequält haben soll.

© dpa

Update

Opfer sagt aus: Frau aus Großraum Berlin drei Monate in Höxter misshandelt

Ermittler aus Bielefeld reisten in den Großraum Berlin, um vor Ort eine Frau zu befragen. Auch sie wurde in Höxter misshandelt. Der mutmaßliche Täter wurde bereits 1995 verurteilt, weil er eine Frau in Paderborn gequält hatte.

In dem Mord- und Folterfalls aus Höxter-Bosseborn hat ein weiteres mutmaßliches Opfer ausgesagt. Ein Ermittlerteam aus Bielefeld reiste am Dienstag in den Großraum Berlin, um die Frau zu vernehmen, wie es in einer Pressemitteilung der Polizei in Bielefeld heißt. Die Frau hatte sich zuvor bei der Polizei gemeldet, da sie das Haus in Höxter in den Medien wiedererkannt hatte, in dem auch sie misshandelt wurde. Die 51-Jährige hatte auf eine Kontaktanzeige von Wilfried W., dem Tatverdächtigen, in einer Zeitung geantwortet. Sie sagte nun aus, von dem Mann und seiner damaligen Frau mit einem Auto abgeholt worden zu sein. Sie fuhren zum Haus nach Höxter-Bosseborn.

Nach ihrem Aufenthalt hielt sich die 51-Jährige wieder an ihrer Wohnanschrift im Großraum Berlin auf. Die Bielefelder Polizei sagte dem Tagesspiegel, man habe bewusst die Formulierung "Großraum Berlin" gewählt und werde dies auch in keiner Weise weiter eingrenzen. Die Frau hielt weiterhin Kontakt zu Wilfried W. Ab Ende 2011 bis März 2012 hielt sie sich dann wieder in dem Haus in Höxter auf. In dieser Zeit wurde sie von beiden Beschuldigten körperlich misshandelt. Sie war nach eigenen Angaben in dem Haus eingesperrt und hatte keine Möglichkeit zu fliehen. Im März 2012 wurde sie nach einer erheblichen körperlichen Auseinandersetzung zu einem Bahnhof transportiert und in einen Zug nach Hause gesetzt. Aus Angst vor angedrohten Gewaltanwendungen durch die Beschuldigten schaltete das Opfer nicht die Polizei ein.

Unter der Service-Hotline 0521/545-1155 sind bei der Polizei in Bielefeld bislang 15 Hinweise eingegangen. Nach derzeitigem Ermittlungsstand befinden sich darunter keine neuen Opfer.

Wilfried W. quälte schon 1995 eine Frau

Der Beschuldigte Wilfried W. wurde bereits vor 20 Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Zusammen mit seiner damaligen Geliebten Michaela K. hatte er einem Opfer "sadistische Quälereien zuhauf" zugefügt, wie die Zeitung "Neuen Westfälische" am Mittwoch berichtet. Das Blatt zeigt einen Artikel vom 30. August 1995, in dem der damalige Fall geschildert wird. Zu der Zeit wohnte Wilfried W. demnach im Paderborner Stadtteil Benhausen, rund 50 Kilometer von Höxter entfernt. Die Zeitung schreibt, der damals 25-jährige Mann sei als Hundeführer tätig gewesen und mit einer Verkäuferin nach Paderborn gezogen. Die zwei hatten sich im Frühjahr 1994 über eine Zeitungsannonce kennengelernt und sehr schnell geheiratet.

"Die Beziehung entwickelte sich für die Frau jedoch sehr schnell zum Martyrium", schreibt die Zeitung. Eine Formulierung, wie man sie auch in den derzeitigen Nachrichten über die bekanntgewordenen Fälle von mutmaßlichen Morden und Foltermethoden des Mannes in seinem neuen Wohnort Höxter lesen kann. Auch hier hatte der Mann eine Frau über eine Kontaktanzeige kennengelernt und war mit ihr zusammengezogen. Dann kam seine Geliebte ins Spiel - vor 20 Jahren in Paderborn ebenso, wie 2014 in Höxter. Die 1995 von dem Mann gequälte Frau lebt allerdings noch. Damals wurde sie von Wilfried W. wegen Kleinigkeiten, etwa zu langsamen Autofahren, verprügelt. Er soll seiner Gattin mit einem heißen Bügeleisen schwere Verbrennungen zugefügt haben, verfolgte sie offenbar auf Schritt und Tritt, fesselte sie an die Heizung und soll sie mit dem Tode bedroht haben.

Eine "Dreiecksbeziehung" - bereits im Jahr 1995

Dann stieß seine damalige Geliebte Michaela K. hinzu. Sie soll in die Wohnung in Paderborn eingezogen sein. "Der Täter hatte die sexuellen Kontakte zu ihr nie abgebrochen", schreibt die "Neue Westfälische" 1995. Dem Artikel zufolge soll Michaela K. zu der Zeit auch schwanger gewesen sein. Vermutlich jedoch nicht von Wilfried W. In einer furchtbaren "Dreiecksbeziehung" soll das damalige Opfer von den beiden nun noch mehr gequält worden sein. Ebenso wird es in den neuen Meldungen über die Taten von Wilfried W. in Höxter beschrieben - auch hier spricht man von einer "Dreiecksbeziehung". Das Opfer von vor 20 Jahren musste "unbeschreibliche Sexualpraktiken" über sich ergehen lassen, "bei denen auch ätzende Flüssigkeiten zur Anwendung kamen".

Wilfried W. und seine damalige Geliebte wurden bereits damals als "Terror-Paar" bezeichnet. Auch in der jüngsten Berichterstattung sprechen viele Medien von einem "Terror-Paar", nur, dass Wilfried W. eine andere mutmaßliche Mittäterin hatte. Vor 20 Jahren sollen sie die 24-jährige Verkäuferin mit Boxhandschuhen traktiert (doppelter Nasenbeinbruch) und sie im Kofferraum des Autos gesperrt stundenlang transportiert haben. "Eine derartige Menschenverachtung ist kaum zu übertreffen", zitiert das Blatt den damals für den Fall zuständigen Oberstaatsanwalt Günter Krüssmann. Er ist mittlerweile pensioniert und war für ein Statement nicht zu erreichen.

Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, soll Wilfried W. zusammen mit seiner damaligen Frau Angelika W., heute Angelika B., weitere Opfer in Höxter-Bosseborn gequält und mindestens zwei umgebracht haben. Der Mann, der nun für den Fall in Höxter zuständig ist, heißt Ralf Östermann, Leiter der Mordkommission "Bosseborn". "Das waren Abgründe, die sich da auftaten", sagte dieser bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Taten vor Gericht verleugnet

Vor 20 Jahren wurde Wilfried W. verurteilt. Oberstaatsanwalt Krüssmann sah die beiden Angeklagten als eindeutig überführt. Vor Gericht hatten die Täter gesagt, das Opfer sei "schusselig" gewesen und habe sich deshalb "oft verbrannt". Indiz waren nicht nur die eindeutigen Verletzungen der Frau, sondern auch Zeugenaussagen von Nachbarn. Diese hätten Schreie und Schläge aus dem Haus vernommen, die Polizei allerdings nicht informiert.

Am 21. September 1994 wurde das Opfer von Verwandten aus dem Haus befreit. Ihrer Zeugenaussage schenkte das Schöffengericht später uneingeschränkten Glauben. Wilfried W. wurde wegen Körperverletzung in sechs Fällen, Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine damalige Geliebte Michaela K. wegen gefährlicher Körperverletzung und Beihilfe zu diversen anderen Straftaten zu einer einjährigen Freiheitsstrafe.

Wilfried W. hat seine Strafe "größtenteils verbüßt", sagte der nun zuständige Staatsanwalt Östermann am Dienstag. Die Staatsanwaltschaft Paderborn sagte dem Tagesspiegel, derzeit keine Fragen zu irgendwelchen Angelegenheiten in dem Fall zu beantworten. Man werde sich äußern, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sein. Es steht die Frage im Raum, warum Wilfried W. nach seiner Haftentlassung nicht weiter in psychiatrischer Behandlung war.

"Als wenn hier Bundesliga wäre"

Im Jahre 1999 lernte Wilfried W. dann Angelika B. aus Herford kennen. Ob dies über eine Kontaktanzeige geschah, ist nicht zu sagen. Die beiden heirateten und wechselten mehrfach den Wohnort. Sie wohnten auch in Schlangen im Kreis Lippe. 2011 zogen sie nach Höxter-Bosseborn. Dort wird man wohl noch eine Weile schockiert sein. Unzählige Kamerateams und Journalisten sind vor Ort. "Als wenn hier Bundesliga wäre", berichtet der Ortsheimatpfleger Richard Niederprüm der "Neuen Westfälischen" am Dienstag. "Für so ein kleines Dorf ist das eine Katastrophe, was da passiert ist. Er hatte in den vergangenen Tagen versucht, mit etlichen Bürgern ins Gespräch zu kommen. Aber: "Viele zucken mit den Schultern."

"Nein, diese Leute kenne ich nicht, und ich will sie auch nicht kennen. Damit will man nichts zu tun haben", sagte eine ortsansässige Verkäuferin dem Tagesspiegel am Mittwoch. In einer Sondersitzung entschied der Heimatverein, das jährliche Dorffest abzusagen. Der Bürgermeister der Stadt, Alexander Fischer (SPD), sagte: "Es ist eine ungeheuerliche Tat, die offenbar hier vor Ort begangen worden ist." Er fragt sich, wie die Stadt wieder zur Ruhe kommen könne und will den Dialog mit den Bürgern suchen.

Derzeit durchkämmen 40 Ermittler der Mordkommission aus Bielefeld den Tatort. Spürhunde suchen auf dem Gehöft nach weiteren Leichen. Es wird auch in der nahe gelegenen Stadt Brakel ermittelt, wo Wilfried W. einen Kiosk gekauft, aber nur wenige Tage betrieben hatte. Am 21. April bot er den Kiosk "aus gesundheitlichen Gründen" im Internet zur Vermietung an - also genau an dem Tag, als er und seine Ex-Frau das schwer verwundete Opfer aus Bad Gandersheim dorthin zurückbringen wollten - die Fahrt endete mit dem Tod des Opfers und das "Terror-Paar" flog auf.

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