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© Kitty Kleist-Heinrich

Ost-West: Friedliche Koexistenz

Wenn zwei Liebende zusammenziehen, beginnen die Probleme. Ost und West haben höchst unterschiedliche Ideen von Wohnkultur. Drei Beispiele

DEUTSCHLAND TRIFFT RUSSLAND

Vor einem Jahr sind wir in den Moskauer Vorort Odinzowo gezogen, wohnen in einem 14-stöckigen Plattenbau aus den 70ern, den Bewohner aus der Umgebung „Adelsnest“ nennen. Die meisten unserer Nachbarn sind ehemalige Offiziere der Roten Armee, die lange in Rente sind und nun gerne mit Orden behängt durch die Gegend spazieren.

Wir wohnen in einer Dreizimmerwohnung, die nach Meinung unserer Gäste gleichzeitig ein Museum der sowjetischen Inneneinrichtung für besser gestellte Kommunisten ist: Blümchentapeten, Parkettboden, ein riesiger Spiegel im großzügigen Eingangsbereich, zwei verglaste Balkone. Typisch russisch ist die dunkelbraune Schrankwand im Wohnzimmer. In den Glasvitrinen stellen Russen üblicherweise Porzellanfigürchen aus, die sie seit dem Fall des Eisernen Vorhangs auf ihren Reisen gesammelt haben. Darauf haben wir verzichtet. Stattdessen stehen hier Tonträger von Helge Schneider bis Tschaikowsky.

Vor der Schrankwand, die immer den Eindruck macht, als würde sie jeden Moment nach vorne kippen, haben wir einen umso graziler wirkenden Schaukelstuhl aus Stuttgart, Baujahr 1972, platziert. An der Wand hängt eine Kuckucksuhr, die mir Olga zu Weihnachten 2008 geschenkt hat. Mehrere Monate lang hat der Kuckuck unserer Tochter Freude beschert, doch nun steht das gute Stück – handgemacht aus dem Schwarzwald – still. Vielleicht fürchtet sich der Kuckuck vor der Schrankwand?

Von den Wohnungsbesitzern, auch ehemalige Militärs, haben wir den Hühnerstall auf dem Balkon geerbt. Damit haben sich die ehemaligen Vaterlandsverteidiger in den wirtschaftlich schwierigen 90er Jahren mit Eiern versorgt. Der Stall wird aber erst wieder aktiviert, wenn wirklich schlechte Zeiten kommen. Moritz Gathmann

JAPAN TRIFFT DEUTSCHLAND

Eine japanische Ecke in unserer Wohnung einzurichten, mit original Tatamimatten aus Stroh – die Vorstellung fand Kiyo lächerlich. Die Idee war gestorben. Unsere Wohnung ist sehr modern, und so haben wir sie dann auch eingerichtet. Angefangen beim Reiskocher in der Küche sind die japanischen Gegenstände nun überall integriert. Im Wohnzimmer dient uns etwa ein Sake-Holzfass als Blumentopf. Kiyos Eltern brachten es aus Japan zu unserer Hochzeit mit. Es wurde mit 20 Litern Sake gefüllt und wir mussten gemeinsam den Deckel einschlagen – eine Tradition.

Der Schrank, der in unserem Gästezimmer steht, gehörte Kiyos Großmutter. Es ist ein original japanischer Hochzeitsschrank, ein Kiri Dantsu. Kiyo lagert ihre Kimonos darin, ansonsten ist er fast leer, sieht aber schön aus. Der Schrank ist aus einer Art Balsaholz. Allerdings ist das Klima in Deutschland etwas zu trocken für ein Möbel aus diesem leichten Material, an der Seite hat er schon erste Risse. Eingerahmt wird der Schrank von zwei modernen Wandlampen, das ergibt einen schönen Kontrast. Der Sekretär daneben hat in dieser Wohnung endlich richtig Platz. Vorher stand er jahrelang zugedeckt herum. Bevor wir vor etwa einem Jahr hier einzogen, lebten wir in einem Altbau in Schöneberg, mit Holzdielen und Stuckdecken. Eigentlich wollten wir gerne wieder in einen Altbau ziehen, doch dann kam das Angebot für diese moderne Wohnung.

Zum Einzug haben wir abgemacht, dass es für jeden von uns einen Luxus geben sollte. Jetzt haben wir eine beleuchtete Kleiderstange im Wandschrank und ein Washlet im Badezimmer, ein typisch japanisches Klo mit eingebautem Bidet. In Japan sind die Toilettensitze auch oft beheizt – unserer ist es natürlich nicht. Man muss ja nicht übertreiben. Protokoll: Katja Reimann


INDIEN TRIFFT DEUTSCHLAND

„Die Leere ist der Schoß der Wirklichkeit.“ Das schreibt der indische Gelehrte Patanjali in seinen 2000 Jahre alten überlieferten Yoga-Sutren. Kurz nach unserer Hochzeit vor sieben Jahren haben wir einen Yogaraum in unserer Schöneberger Altbauwohnung eingerichtet. Eigentlich ist das ein großer Luxus: Wer hat schon einen leeren Raum in seinem Zuhause? Zumal uns im täglichen Leben oft ein Zimmer fehlt, weil unsere Wohnung insgesamt nur drei hat.

Die Decke im Raum haben wir roséfarben angemalt, die Wände ocker-gelb. Das sind die Farben, in denen auch indische Tempel gestrichen sind. Die Altbau-Stuckelemente haben wir weiß gelassen, das ist eine schöne Kombination von östlichem und westlichem Stil. Jeden Morgen von 7 bis 9 Uhr praktizieren wir beide Yoga. Lustigerweise meditiert ausgerechnet Anthony dabei auf einem Stuhl sitzend im Schlafzimmer und Marina übt im Yogaraum. Manchmal üben wir auch gemeinsam, aber eigentlich ist die Trennung dabei ganz gut, weil beim Yoga jeder seinen eigenen inneren Weg finden muss. Die Spiritualität, die wir so erleben, verbindet uns.

Die Seile an den Wänden des Raumes dienen als Hilfsmittel bei einigen Übungen, zum Beispiel beim Kopfstand. Drei Mal in der Woche gibt Marina Yoga-Unterricht mitten in unserer Wohnung. In der Ecke steht auch dann immer ein uralter Hometrainer. Das ist zwar ein kleiner Stilbruch, aber wo sollten wir ihn sonst unterbringen? Nach dem Yoga treffen wir uns an jedem Morgen in der Küche zum gemeinsamen Frühstück. Über das Fenster zum Hinterhof haben wir eine sehr farbige Blumengirlande aus Kunststoff gehängt. In indischen Häusern sind solche Girlanden oft über dem Türrahmen angebracht. Sie sollen den Segen der Götter einladen. Protokoll: Katja Reimann

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