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Pakistan: Die Flut ist auf dem Weg nach Süden

Im Norden Pakistans wird das Ausmaß der Flutkatastrophe sichtbar. Im Süden gibt es weitere Überschwemmungen. Welche Erfahrungen machen die Helfer vor Ort?

Noch immer müssen in Pakistan Menschen aus den Überschwemmungsgebieten evakuiert werden. Die Wassermassen strömen weiter Richtung Süden des Landes. Dort flüchteten nach Behördenangaben binnen 24 Stunden rund 200 000 Menschen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wird in den kommenden Tagen mit der pakistanischen Regierung über weitere Hilfen wegen der Jahrhundertflut beraten. Wie der IWF mitteilte, sollen bei dem Treffen in Washington vor allem die Auswirkungen der Überschwemmungen auf die Volkswirtschaft beurteilt werden. Insbesondere die Ernten der Menschen sind betroffen.

Wie steht es um die Ernten?

Selbst hartgesottene Katastrophenhelfer sind erschüttert. Der Präsident von Ärzte ohne Grenzen, der Berliner Mediziner Tankred Stöbe, berichtet von vier Brüdern, die vor den Ruinen ihres Hauses verharrten. Alle Familienangehörigen tot, die einzige Einnahmequelle, die Felder, zerstört. Weil das letzte Hab und Gut, das Vieh, im Schlamm kein Grünfutter mehr findet, muss es notgeschlachtet werden. Nach Angaben des Pakistanischen Botschafters in Berlin, Shahid Kamal, kam in der Landwirtschaftsregion bislang zwei Millionen Stück Vieh um: Schafe, Büffel, Hühner, Ziegen. Und die Fischfarmen sind weggeschwemmt. So wird auch im kommenden Jahr kaum Ernte einzufahren sein. Andere Katastrophenhelfer wie beispielsweise Jürgen Mika, der für die Welthungerhilfe vor Ort ist, berichten von meterweise Schlamm auf Baumwollfeldern. „Das ist wirklich sehr, sehr schlimm“, sagt Mika

Wie ist die Lage der Hilfsorganisationen?

Viele Helfer, die in Pakistan im Einsatz sind, sind erschöpft, aber zufrieden. Die Koordination mit den Katastrophenschutzmanagern der Provinzen klappe gut, deren Verteilung der Hilfsgüter werde von den Hilfsorganisationen überwacht, sagte Billi Bierling, Pressesprecherin der UNO-Flüchtlingshilfe. Wie auch das Rote Kreuz bestätigt, erteile die Pakistanische Botschaft die Visa weit schneller als beispielsweise die Vertretung Birmas nach der Flut dort. Die Helfer vor Ort wissen, worauf sie sich in so einem gebeutelten Land einlassen. Tankred Stöbe hat selbst Schlamm geschippt, um das zerstörte Krankenhaus im Ort Kotaddu in der Region Punjab wieder mit aufzubauen. Die sanitären Anlagen seines „Hotels“ waren anfangs unbenutzbar, jetzt mieten die Mediziner alle zusammen ein kleines Haus. Die Menschen seien aufgeschlossen, dankbar, hilfsbereit und wissbegierig. In den großen Städten sieht die Lage weit besser aus. Hier gab es vor der Katastrophe schon Gegenden mit Villen, von denen man laut den Helfern in Deutschland noch nichts gesehen hat. Handynetze funktionieren meist wieder.

Wie klappt die Verteilung der Hilfsgüter?

Wenn Straßen und Brücken zerstört sind, hilft manchmal nur, die Güter per Maulesel zu transportieren. Gerade in den entlegenen Gegenden im Norden sind die Menschen auf die Abwürfe aus den Hubschraubern angewiesen. Diese laufen naturgemäß chaotischer ab, weil alle in Panik und Hunger den Säcken hinterherrennen. Wo Lastwagen mit Mehl und Reis auftauchen, hängen sich die Menschen in ihrer Verzweiflung an die Laderampe und lassen sich mitschleifen. Wenn erfahrene Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen mit ihren 100 internationalen und 1100 lokalen Ärzten, Krankenschwestern und Pflegehelfern etwas verteilen, wird das straff durchorganisiert. Die Menschen müssen sich vorher registrieren lassen. So sollen Massenpaniken verhindert werden. Zu einem furchtbaren Zwischenfall kam es bei der Verteilung von Mehlsäcken, die ein Mäzen im Warenhaus von Korangi Armen zukommen lassen wollte. In der Menge der hungernden Frauen gab es Gedränge und Geschubse. Zwei Frauen im Alter von 35 und 45 Jahren kamen ums Leben, als sich alle nach den Mehlsäcken reckten.

Bei den von den internationalen Hilfsorganisationen organisierten Verteilaktionen soll es bisher aber keine Zwischenfälle gegeben haben. Besondere Schwierigkeiten bereiten im Moment eher die drückende Hitze, der anhaltende Regen und die Größe des Katastrophengebiets. „Die Menschen bleiben nicht gern in den Camps, sondern gehen eher zu Nachbarn oder Freunden. Und so müssen wir genau recherchieren, wo die Menschen sind, die Hilfe brauchen. Dafür arbeiten wir mit den lokalen Behörden und Organisationen zusammen, was auch sehr gut funktioniert“, sagt Mika. Besonders schwierig sei die Lage im Süden des Landes.

Drohen neue Flutwellen?

Die bis zu 30 Kilometer breite Flussflut, die mit Keimen, Erregern, Schlamm und Schmutz verunreinigt ist, hat die südlichen Landesteile erreicht. Die meteorologische Abteilung der Regierung Pakistans warnte die Bevölkerung jetzt vor weiteren Überschwemmungen am Indus in Höhe der Stadt Korti. Dort werde der Hochwasserstand voraussichtlich zwei Wochen bestehen bleiben. Überflutungen würden auch für die Regionen Hyderabad und Thatta erwartet. „Alle zuständigen Behörden werden gebeten, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, die den Verlust von menschlichem Leben sowie Grund und Boden verhindern“, heißt es in der Warnung der meteorologischen Regierungsabteilung, die die Pakistanische Botschaft dem Tagesspiegel zugänglich gemacht hat. Auch die Helfer vor Ort berichten von weiteren heftigen Regenfällen.

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