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Palau: Paradies zum Abtauchen

Palau, die Inselgruppe in der Südsee, ist berühmt geworden, seit die Uiguren aus Guantanamo dorthin geschickt werden sollen. Einheimische dort überarbeiten sich nicht - das tun die Gastarbeiter.

Kristallklares Wasser über bunten Korallenbänken, fröhliche Menschen, Mädchen in Baströckchen, ein ewig schöner Palmenstrand vor rotem Sonnenball, alle alten Klischees über die paradiesische Südsee – auf der Inselgruppe Palau sind sie Wirklichkeit.

Für den Urlauber. Wenn er auf einer der vorgelagerten Inseln eine beispiellose Ruhe unter Palmen genießt oder sich zu spektakulären Tauchfahrten aufmacht. Der Urlauber kann allerdings durchaus ahnen, wie es im Paradies sonst aussieht, wenn er nach zweitägiger Reise am anderen Ende der Welt im Pazifik aus dem Flugzeug steigt. Die Fahrt in einem klapprigen Taxi bietet zunächst wenig Paradiesisches. Gesichtslose Zweckgebäude, in denen sich Büros, Geschäfte und einige Restaurants befinden, säumen die Hauptstraße von Koror, der einstigen Inselhauptstadt. Obwohl 2006 der Regierungssitz nach Melekeok verlegt wurde, ist Koror nach wie vor das wirtschaftliche Zentrum Palaus. Über zwei Drittel der rund 20 000 Einwohner leben hier. Demnächst wohl auch jene muslimischen Uiguren, Angehörige einer ethnischen Minderheit in China, die nach Jahren US-Haft in Guantanamo auf diese mikronesischen Inseln geschickt werden.

Der Berliner Tauchlehrer und Palau-Kenner Christian Wendt meint, dass die Uiguren möglicherweise als Fachkräfte einen Job finden könnten. Da herrsche Mangel. In der Landwirtschaft würden wohl Leute gesucht. In den Werften gebe es auch immer etwas zu tun. Die Uiguren sollten auf jeden Fall die Inselsprache sowie Japanisch und Englisch lernen, sagt Wendt. Sie müssen sich wohl einen Ruck geben, mit Japanern zu arbeiten, denn die beiden Nationen sind wegen des Japan-China-Kriegs noch heute nicht gut aufeinander zu sprechen.

Ein Paradies sind die Städte nicht. Christian Wendt sagt: „Für den Urlaub ist es dort wunderschön, aber leben möchte ich da nicht.“

Auch Urlauber müssen sich in Geduld üben. Am Morgen steht eine Tour mit dem Allrad-Jeep auf dem Programm. Schon beim Frühstück im Hotel hatten die Teilnehmer begriffen, dass die Uhren auf der Insel anders gehen, und nun wirklich nicht mehr damit gerechnet, dass das vor über einer Stunde bestellte Spiegelei tatsächlich noch von einer entspannt umherschlurfenden Kellnerin serviert wird. Eile wäre in der Tat völlig unangebracht gewesen, schließlich kommt auch der Jeep mit gehöriger Verspätung und muss dann erst mal hergerichtet werden. Dann aber geht’s wirklich los. Das geländegängige Fahrzeug meistert die unbefestigten Straßen Babeldaobs und bringt die Gäste zum höchsten Punkt der größten Insel Palaus. Von dort ergibt sich ein schöner Ausblick über das mit üppigem Tropenwald bedeckte Eiland. Am Horizont bilden scheinbar endlose Mangrovenwälder den Übergang zum Meer, das in allen Blautönen leuchtet. Man isst gut und reichlich auf Palau – und das ist den gemütlich runden Insulanern auch anzusehen. Nebenbei erfahren die Besucher, wie es die Einheimischen mit ihren alten Traditionen halten. Bis heute sind die Dörfer durch Sippen organisiert, und die Oberhäupter der Großfamilien haben das Sagen. Hartnäckig halten sich auch bestimmte Sitten und Gebräuche. So gehört es sich einfach, dass die Angehörigen bei einer Beerdigung viel Geld für die Hinterbliebenen zusammenbringen. Da kommen schon mal locker 50 000 Dollar zusammen.

Am Nachmittag geht es auf den nach einem heftigen Tropenschauer schlammigen Pisten weiter zur Besichtigung des 1882 erbauten Männerhauses mit seinen aufwendig bemalten Fassaden. Das wohl schönste Exemplar eines solchen Baus steht aber im Völkerkundemuseum in Berlin. Der Anthropologe Augustin Krämer ließ das Männerklubhaus 1907 von den letzten mit Technik und künstlerischer Ausstattung vertrauten Männern bauen, um es nach Deutschland zu verschiffen.

„Warum, von wo und wann Menschen erstmals in Palau ankamen, liegt im Dunkel“, sagt Mandy Etpison, Leiterin des kleinen Geschichtsmuseums in Koror. „Studien haben ergeben, dass die heutigen Bewohner entfernte Verwandte von Malaien aus Indonesien, Melanesiern aus Neuguinea sowie Polynesiern sind.“ Untersuchungen von Funden der ältesten bekannten Ansiedlung auf den Rock Islands und die spektakulären Terrassen von Babeldaob lassen aber Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der ersten Zivilisation zu, die demnach bis in das Jahr 1000 vor Christus zurückreicht. Der erste Europäer, der die Inseln 1543 gesichtet haben soll, war der spanische Entdecker Ruy Lopez de Villalobos. Neben Feuerwaffen brachten die Europäer Krankheitserreger mit. Innerhalb eines Jahrhunderts wurde die Bevölkerung von 40 000 auf nur noch 4000 dezimiert. Zur Geschichte der Inselgruppe gehört auch die kurze Zeit deutscher Kolonialherrschaft. Von den Spaniern 1899 für 18 Millionen Reichsmark abgekauft, erhoffte man sich von Phosphatabbau und Kokosplantagen satte Gewinne. Doch die blieben aus. Schon nach zwei Jahrzehnten wurde die Verlierermacht des Ersten Weltkrieges verpflichtet, den Platz an der Sonne wieder zu räumen.

Navot Bornovski, Weltumsegler, Abenteurer und Taucher aus Israel, hat Palau vor rund 15 Jahren auf einem Segeltörn entdeckt und ist geblieben – bis heute. Zusammen mit seiner Frau Tova betreibt er die Tauchbasis Fish ’n Fins. „Die meisten Touristen sind ambitionierte Taucher, die von der Einmaligkeit unserer Diving-Spots gehört haben“, erklärt er.

Ein reicher Subventionssegen kommt aus den USA, obwohl der Inselstaat seit 1994 nicht mehr unter US-Treuhandverwaltung steht und unabhängig ist. Geld kommt auch aus Japan und Korea, die sich entsprechendes Abstimmungsverhalten sichern, wenn die internationale Gemeinschaft die Jagd auf Haifischflossen verbieten will. Der Geldsegen beschert den einheimischen Insulanern ein durchaus angenehmes Leben, und er ermöglicht ihnen, unangenehme Arbeiten wie Müllabfuhr oder Arbeiten auf dem Bau von rund 4000 Gastarbeitern aus den Philippinen verrichten zu lassen. Auch die Uiguren würden hier bestimmt Beschäftigung finden. Geschäfte und Gastronomie liegen meist in den Händen der auf der Insel geborenen Asiaten, und die größeren Hotels und Tauchsportzentren stehen zumeist unter amerikanischem Management, das für einen perfekten Service sorgt.

„Sie müssen unbedingt zu den Rock Islands“, empfiehlt Navot Bornovski. Das ist ein Labyrinth aus sattgrün bewachsenen Koralleninseln im Südosten des Inselreichs. Mit schäumender Kielwelle brettert das Boot über das türkisfarbene Wasser. Der heimische Käpten gibt noch einmal Gas – und das Kichern der japanischen Mädchen, die mit ihm im Boot sitzen, wird immer schriller. Kalksteinfelsen ragen aus dem Meer, entstanden in Jahrtausenden aus Korallenstöcken, durch Erosion bizarr geformt. Unter der Wasserlinie setzen sich, von Fischen umspielt, farbensprühend die Korallen fort. Es ist eine fantastische Welt, in die schon die einfache Schnorchelmaske unvergessliche Eindrücke gewährt. Hier entspricht Palau auch dem Klischee – die Rock Islands, die wie dicke Moospolster in einem in allen Blautönen schimmernden Wasserteppich schwimmen, sind ihr Aushängeschild. Diese Inseln sind weitgehend unbewohnt und liegen inmitten einer Lagune, die durch ihre intakte Korallenwelt und ihren Fischreichtum beeindruckt. Allein 700 Korallen- und mehr als 1500 Fischarten leben in diesen Gewässern. Taucher erleben ihr Eldorado bei den Wracks japanischer Kriegsschiffe, in unterseeischen Höhlen und Riffabhängen.

Detlef Berg

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