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Papstbesuch beim Weltjugendtag: Was erhofft sich Franziskus von der Reise?

Der erste lateinamerikanische Papst begegnet beim Besuch in Rio seinen theologischen Ursprüngen. Welche Bedeutung hat die Reise?

Frenetischer Jubel bei der Ankunft, heftige Proteste am Rande – der Besuch des ersten lateinamerikanischen Papstes in Brasilien, wo der katholische Weltjugendtag begangen wird, polarisiert. Und er verdeutlicht zugleich, welch immensen Herausforderungen das Oberhaupt der katholischen Kirche gegenübersteht.

In welchem Zustand ist der Vatikan?

In Rom zurückgelassen hat Franziskus einen rundherum eingerüsteten Vatikan. Der Kommission, die er erst vor vier Wochen zur Überprüfung der Kirchenbank IOR eingesetzt hat, hat er am 18. Juli ein weiteres Gremium zur Seite gestellt: Besetzt mit sieben „Laien“ – also nicht mit geweihten Amtsträgern – soll sie die verstreute Wirtschafts- und Finanzorganisation des Heiligen Stuhls analysieren und verschlanken. Im IOR selbst wühlen sich nach dem Rücktritt des Managements Anfang Juli nun amerikanische Geldwäscheexperten durch die Konten.

Die Beraterkommission der acht Kardinäle aus der Weltkirche, die Franziskus im April zum Zweck der Kurienreform eingerichtet hat, bereitet ihre erste Arbeitssitzung vor, die in zehn Wochen stattfinden soll. Die damit beinahe suspendierte Kurie ist indes sehr leise geworden. Insbesondere vom lang umstrittenen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone hat man nichts mehr gesehen und gehört. Es gibt Spekulationen, Bertones Flug mit dem Papst nach Brasilien könnte sein letzter öffentlicher Auftritt sein.

Welche Pläne hat der Papst für den Besuch?

Franziskus macht keinen Urlaub. Vielleicht sieht er seinen Ausflug zum Weltjugendtag, der seit 1984 alle zwei bis drei Jahre stattfindet,als die beste Form der Erholung an. „Das wird eine Woche der Jugend!“, rief er am Sonntag spontan aus. Dass dieser 76-Jährige bei den Jugendlichen und den jungen Erwachsenen ankommt, hat ihm gerade noch eine aktuelle Umfrage bescheinigt: Mehr als 70 Prozent der befragten Italiener finden ihn „vertrauenswürdig“, 91 Prozent „sympathisch“.

Franziskus, der immer Angst hat, seine Kirche könnte „an der schlechten Luft im eigenen Zimmer krank werden“, lässt sich in Rio nun also frischen Wind um die Nase wehen. Nachdem er am Dienstag zunächst einen Ruhetag eingelegt hat, wird er am heutigen Mittwoch in den 250 Kilometer entfernten Wallfahrtsort Aparecida fliegen, um dort eine Messe zu feiern. Auf dem WC eines Parkhauses in Aparecida entschärfte die brasilianische Armee am Montag einen kleinen Heimwerkersprengsatz von „geringer Gefahr“. Am Donnerstag wird der Papst zunächst eine Favela in Rio besuchen und dann am Strand der Copacabana die katholische Jugend begrüßen. Dort wird er erneut am Freitag zur Kreuzwegandacht sein. Am Samstag findet dann auf dem „Glaubensfeld“ bei dem knapp 100 Kilometer vor der Stadt gelegenen Ort Guaratiba die Abschlussmesse mit Angelus-Gebet statt.

Welche Bedeutung hat Brasilien

für den Papst?

Brasilien gilt als die Wiege der Befreiungstheologie, deren gut vierzigjährige Geschichte der Argentinier Jorge Mario Bergoglio während seines genauso langen Priester- und Bischofslebens am eigenen Leib gespürt, erlitten, mitgeformt hat. Zuletzt 2007, als Benedikt XVI. eigens zum Treffen der Lateinamerikanischen Bischofskonferenzen (Celam) nach Aparecida anreiste, um die „politisch-ideologisch verirrten“ TheologenSchäflein endgültig in den gemeinsamen Stall zurückzulotsen. Bergoglio, seinerzeit Erzbischof von Buenos Aires, redigierte 2007 das Schlussdokument, das der Vatikan aber erst nach 200 Korrekturen zur Veröffentlichung freigab.

Bergoglio-Franziskus soll darauf bestanden haben, den lateinamerikanischen Bischöfen als Papst noch einmal zu begegnen. Er trifft den Leitungsausschuss der Celam nach dem offiziellen Programm des Weltjugendtags. Und ein Papst, der so sehr „eine arme Kirche“ will, wird diesem schwierigen kirchengeschichtlichen Prozess seinen eigenen Stempel aufdrücken. Vor 45 Jahren hatte die Generalversammlung der Celam im kolumbianischen Medellín einen radikalen Standortwechsel vollzogen und die Kirche als „Kirche der Armen“ zu verstehen begonnen. Den vielfach nicht zu leugnenden marxistischen Beigeschmack goutierten weder die (Militär-)Regimes in Südamerika noch der Vatikan. Die damals nach vorn gestellte „Option für die Armen“ indes hat sich heute zumindest im gesamtkirchlichen Sprachgebrauch eingebürgert. Der erste lateinamerikanische Papst hat ihr in seiner Person nun auch Gestalt gegeben. mit lich

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