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Paranoia macht sich breit. Ministerpräsident Tayyip Erdogan.

© REUTERS

Paranoia in der Türkei: Verschwörungstheorie: Soll Erdogan durch Telepathie getötet werden?

Verschwörungstheorien machen in höchsten Kreisen der Türkei die Runde – angeblich sind Angriffe auf Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geplant. Die Theorien werden immer wilder. Und sogar die Lufthansa soll ihre Finger im Spiel haben.

Selbst für die absurdeste Verschwörungstheorie gibt es in der Türkei immer dankbare Abnehmer, aber allmählich drängt sich der Eindruck auf, dass die Paranoia selbst in höchsten Behördenkreisen umgeht. Sonderermittler des Ministerpräsidentenamtes warfen jetzt ganz offiziell die Frage auf, ob Telepathie als Mordwaffe eingesetzt werden könnte. Das mag abenteuerlich klingen, aber tödliche Psychokinese hat derzeit Konjunktur in Ankara: Ein Berater von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warnte kürzlich, Feinde des Premiers arbeiteten an Mitteln und Wegen, den Regierungschef per Telepathie ermorden zu können.

Die Ermittler untersuchten den mysteriösen Tod von vier jungen Ingenieuren des staatlichen Rüstungsunternehmens Aselsan in den Jahren 2006 und 2007. Damals gingen die Behörden zunächst von Selbstmorden aus, doch die Familien der Opfer glaubten nicht an diese Theorie. Alle vier Männer befanden sich zum Zeitpunkt ihres Todes in psychotherapeutischer Behandlung. Auf Bitten der Familien nahmen sich Sonderermittler im Ministerpräsidentenamt der Sache an.

Können böse Gedanken töten? Verschwörungstheoretiker sagen Ja

In ihrem jetzt fertiggestellten Bericht erwähnen Erdogans Ermittler die Möglichkeit, dass die Ingenieure durch Telepathie, also durch Gedankenübertragung, von unbekannten Tätern in die Depression und damit zum Selbstmord getrieben worden sein könnten. Nun soll die Staatsanwaltschaft in Ankara dem Telepathie-Vorwurf nachgehen.

Vielleicht sollten die Staatsanwälte dazu Yigit Bulut befragen. Der kürzlich zum Erdogan-Berater aufgestiegene langjährige Journalist sprach im Fernsehen von telepathischen Angriffsversuchen auf seinen neuen Chef. „Ich bin mir sicher, dass an vielen Orten unablässig daran gearbeitet wird, Recep Tayyip Erdogan per Telepathie, also durch Ferneinwirkung, und durch andere Methoden zu töten.“

Und warum das alles? Ausländische Kräfte wollten verhindern, dass Erdogan die Türkei zu einem mächtigen Land mache. „Dieser Aufstieg muss gestoppt werden“, gab Bulut über die Motivation der von ihm ausgemachten Übeltäter wieder.

Starker Tobak auch für die an solche Theorien gewöhnten Türken

Damit liegt der Berater ganz auf der Linie des Premiers und dessen Regierungspartei AKP. So sieht Erdogan die Drahtzieher der landesweiten Unruhen, die im Juni vom Istanbuler Gezi-Park ausgingen, teilweise im Ausland. Der AKP-Politiker Burhan Kuzu warf Deutschland eine Verwicklung in die Unruhen vor. Grund sei, dass der in Istanbul geplante neue Großflughafen den Frankfurter Airport in den Schatten stellen werde.

Bulut selbst sagte im Juni, auch die Lufthansa habe ihre Finger im Spiel, weil sie die Konkurrenz von Turkish Airlines fürchte. Die regierungsnahe Zeitung „Yeni Safak“ ortete die Auftraggeber für die Unruhen in einer konservativen Denkfabrik in den USA.

Selbst für die an Konspirationstheorien gewöhnten Türken ist das starker Tobak. Die Opposition in Ankara will deshalb versuchen, die Erdogan-Leute in eine möglichst peinliche Lage zu bringen. So bittet die Partei CHP den Ministerpräsidenten in einer parlamentarischen Anfrage um Auskunft, was Telepathie denn eigentlich genau sei und ob er Hinweise darauf habe, dass ihn jemand mit Hilfe feindseliger Gedanken töten wolle. Außerdem will die CHP Beweise für die von Bulut behauptete Verwicklung der Lufthansa in die Gezi-Unruhen sehen. Erdogans Antwort wird sie wahrscheinlich nicht zufriedenstellen.

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