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Panorama: Pariser Opern-Streik: Zauberflöte ohne Bühnenzauber

Nicht der Ehebruch, sondern das Streiken ist das Nationallaster der Franzosen. Meist im Herbst, wenn die Ferien vorbei sind und die Himmel grau, überfällt sie der Drang, ihre Arbeit niederzulegen.

Nicht der Ehebruch, sondern das Streiken ist das Nationallaster der Franzosen. Meist im Herbst, wenn die Ferien vorbei sind und die Himmel grau, überfällt sie der Drang, ihre Arbeit niederzulegen. Natürlich kann sich nicht jeder diesen Spaß leisten. 90 Prozent aller Streiks gehen auf das Konto von öffentlich Bediensteten, die nicht um ihren Arbeitsplatz bangen müssen - Lehrer, Piloten, Eisenbahner. Jetzt hat es wieder einmal die Oper erwischt.

Hugues Gall, der Intendant der beiden staatlichen Häuser, des Palais Garnier und der Opéra Bastille, sagte auf die Frage, warum er es nicht mache wie der Aufsichtsratschef von Covent Garden in London, der den Gewerkschaften mit der Schließung des Hauses drohte, wenn sie nicht Vernunft annähmen: "Die Franzosen haben eine wunderbare Küche und viele andere Qualitäten. Aber ihr Hang zum Streiken ist nun einmal nicht zu ändern." Diesmal gibt es allerdings einen auch für Außenstehende nachvollziehbaren Grund. Die Regierung hat per Gesetz die 35-Stunden-Woche eingeführt, es aber versäumt, für die Zahlung von Überstunden und die Neueinstellungen die Mittel der Oper aufzustocken. Die kommunistische Gewerkschaft CGT und drei weitere Gewerkschaften haben angedroht, die Arbeit bis zum 21. Januar niederzulegen.

Bisher hat sich Monsieur Gall geschickt aus der Affäre gezogen: Er lud die Kritiker zur Generalprobe der neuen "Zauberflöte" ein, die noch nicht bestreikt worden war. Die Premierengäste am 27. November mussten sich mit einer vereinfachten Version, einem einzigen Bühnenbild und Einheitsbeleuchtung, zufrieden geben. Auch sie nahmen die magere Präsentation gut gelaunt hin: Sie bereiteten den Mitwirkenden, die treu bei Mozart und Schikaneder ausgeharrt hatten, eine Ovation. "Lucia di Lammermoor" am gleichen Abend an der Bastille-Oper konnte allerdings nur in konzertanter Form gegeben werden. Doch Monsieur Gall ist die Gelassenheit in Person. Er hofft, vom Kulturministerium einen Nachschlag zu bekommen, der jedenfalls die klaffendsten Lücken stopft. Die nächste Premiere ist "Die Fledermaus" am 14. Dezember. Dann wird man sehen, ob der Salon des Herrn von Eisenstein, der Ballsaal des Prinzen Orlofsky und das fidele Gefängnis alle gleich aussehen oder nicht. An manchem Opernhaus soll das übrigens schon vorgekommen sein, auch wenn das Personal nicht streikte.

Jörg von Uthmann

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