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Luxusyacht

© AFP

Piraterie: Leichte Beute

Der Golf von Aden ist eine gefährliche Gegend für Schiffe – und Touristen. Das Auswärtige Amt kann nur wenig für Entführte tun, denn Somalia ist ein "failed State“, in dem nach einem langen Bürgerkrieg jede staatliche Ordnung zusammengebrochen ist.

Wieder haben sie zugeschlagen. Und wieder hat es Deutsche getroffen. Vor der Küste Somalias haben Piraten zwei Deutsche auf ihrem Segelschiff angegriffen, an Land gebracht und in eine Bergregion verschleppt. Am Mittwoch vergangener Woche war bereits der deutsche Frachter „Lehmann Timber“ der Lübecker Reederei Hans Lehmann KG von Piraten geentert worden. Über das Schicksal der 15-köpfigen Besatzung, die aus einem Russen, vier Ukrainern, einem Esten und neun Birmanen besteht sowie über den Stand der Verhandlungen mit den Entführen gibt es zurzeit keine Informationen.

Wilhelm Probst, der Reedereien und private Schiffseigner beim Schutz vor Piraten berät, kann über den Leichtsinn der nun entführten Touristen nur den Kopf schütteln. „Wenn eine Jacht in dieser Gegend fährt, ist das grob fahrlässig, ja fast schon Selbstmord. Da unten wimmelt es von Piraten“, sagte Probst dem Tagesspiegel. Der Piraterieexperte, der selbst bereits ein Schiff im Golf von Aden begleitet hat, verfügt über gute Informationen aus der Gegend. Durch seine Kontakte hat er auch von der aktuellen Entführung erfahren. Offenbar sei es so gewesen, berichtet er, dass die Deutschen gekidnappt worden seien, nachdem sie ihr eigenes Boot fotografiert hatten. Das sei ein Riesenfehler gewesen, erklärt Probst, denn in dem Gebiet gelte absolutes Fotografierverbot.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine lange vorbereitete Aktion war, die Jacht ist wohl eher als günstige Gelegenheit ausgewählt worden. Erstens konnte man sie von Land aus offenbar gut sehen. Und zweitens hören Piraten sehr oft den Funkverkehr ab.“ Eine Jacht, die sich nahe dem Ufer aufhalte, sei für die Piraten wie eine Einladung zum Einkaufen. „Sie müssen nur noch zugreifen.“

Probst rät seinen Kunden daher, auf Funkverkehr möglichst zu verzichten, nachts ohne Beleuchtung zu ankern und eventuell sogar eine Waffe mitzuführen. Private Bootsbesitzer sollten sich schon beim Bunkern von Proviant in Dschibuti erkundigen, welche Route die sicherste sei. Das Auswärtige Amt in Berlin empfiehlt Touristen, die mit dem Schiff im Golf von Aden unterwegs sind, die somalische Küste möglichst zu meiden. In den aktuellen Reisehinweisen heißt es, das IMB Piracy Reporting Centre (PRC) in Kuala Lumpur rate, mindestens 200 Seemeilen Abstand zur Küste zu wahren.

Diesen Rat haben die deutsch-französischen Urlauber offenbar nicht befolgt. Wo sie sich derzeit genau aufhalten und unter welchen Bedingungen sie gefangen gehalten werden, ist auch nach ersten Verhandlungen mit den Piraten unklar. Das Auswärtige Amt kann nur wenig für sie tun, denn Somalia ist ein „failed State“, in dem nach einem langen Bürgerkrieg jede staatliche Ordnung zusammengebrochen ist. Eine deutsche Botschaft gibt es nicht. Seit 1991 hat Somalia keine nationale Regierung mehr. Weite Teile des Landes werden von lokalen Kriegsherren, Clans und islamistischen Milizen kontrolliert. Die Regionen Puntland und Somaliland, in denen sich die Entführten aufhalten sollen, sind faktisch unabhängig. Die Bevölkerung Somalias lebt in bitterem Elend, Hilfe von außen gelangt kaum zu den Menschen, weil Transporte immer wieder überfallen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen entführt werden. Erst am vergangenen Samstag stürmte rund ein Dutzend Männer das Haus des Leiters des UN-Flüchtlingshilfswerks südlich der Hauptstadt Mogadischu. Auch von ihm fehlt jede Spur.

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