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Gregor Gysi und Volker Kauder

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Posse im Bundestag: Linken-Abgeordnete wehren sich gegen Krawattenzwang

Für den Linken-Politiker Gregor Gysi ist Krawatte bei öffentlichen Auftritten Standard. Zwei der neuen Abgeordneten in seiner Fraktion aber sehen das ganz anders - sie wollen im Bundestag nicht eine aus ihrer Sicht diffuse "Würde des Hauses" vertreten, sondern die Vielfalt des Volkes.

Von Matthias Meisner

Vor drei Jahren ist er schon einmal geführt worden - der Streit, ob die Schriftführer, die an Sitzungstagen vorn links oder rechts neben dem amtierenden Bundestagspräsidenten sitzen, eine Krawatte tragen sollten oder gar müssen. Selbstredend nur dann, wenn sie männlich sind. Der CDU-Parlamentarier Jens Koeppen regte damals an, dass diese Bundestagsabgeordneten in "eine der Würde des Hauses angemessene Kleidung" tragen sollten. Konkret für Männer also "auch eine Krawatte oder dem Entsprechendes". Es wurde darüber auch Einvernehmen im Bundestagspräsidium hergestellt. Und Koeppen appellierte an die Fraktionsspitzen, auf die "wenigen Kollegen" einzuwirken, "die diesem Hinweis nicht folgen wollten oder konnten".

Zwei Politiker verweigerten sich damals dem Kodex - der Linke Andrej Hunko aus Aachen und der Grüne Sven-Christian Kindler aus Hannover. Schließlich wurden die beiden von der Liste der Bundestags-Schriftführer gestrichen.

Jetzt finden die beiden neue Mitstreiter beim Kampf gegen die Krawatte: In einem Brief an ihre Abgeordnetenkollegen nennen die nordrhein-westfälischen Linken-Abgeordneten Alexander Neu und Hubertus Zdebel, die am 22. September erstmals in den Bundestag gewählt worden sind, die Auseinandersetzung vor drei Jahren "skurril". Und kündigen vorsorglich an, dass sie, sollten sie als Schriftführer eingeteilt werden, keine Krawatte tragen werden. Zdebel, früher Vorsitzender der Linken in seinem Bundesland, ist 59, sein Kollege Neu 44 Jahre alt.

Hubertus Zdebel
Hubertus Zdebel

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"Als frei gewählte Abgeordnete vertreten wir stets und zuallererst die Interessen und auch die Würde der Bürger/innen dieses Landes, nicht aber eine diffuse ,Würde des Hauses'" heißt es in dem Brief bei beiden Parlamentsneulinge, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Vor 40 Jahren gab's Ärger um eine SPD-Frau im Hosenanzug

Womöglich um Fraktionschef Gregor Gysi zu beruhigen, der in der Öffentlichkeit stets außerordentlich korrekt gekleidet ist, versichern die beiden Abgeordneten: "Selbstverständlich üben wir das Mandat in einer Form aus, die dem zivilisierten Umgang der Menschen untereinander entspricht. Das Tragen einer Krawatte ist für uns dafür keine Voraussetzung." Die von den Fraktionen ausgewählten Schriftführer müssen beispielsweise Anträge entgegennehmen oder die Rednerlisten führen.

Zur Begründung für ihren Widerstand gegen die Kleiderordnung im Parlament greifen Neu und Zdebel weit zurück. Sie erinnern an den damals als skandalös empfundenen Auftritt der SPD-Politikerin Lenelotte von Bothmer 1970 im Bonner Bundestag. Bothmer war damals im Hosenanzug gekommen, der amtierende Bundestagsvizepräsident von der CSU regte sich mächtig auf. "Die damalige Empörung beschädigte in der Tat die Würde der Demokratie", schreiben die beiden Abgeordneten. "Mittlerweile hat sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Abgeordneten die Vielfalt des Volkes vertreten."

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