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© Illustration: Jeff Smith

Panorama: Prinzessin im Märchenwald

In Amerika ist das Fantasy-Epos „Bone“ ein Bestseller. Jetzt strebt sein Schöpfer nach Europa – und ins Kino

Vielleicht liegt’s an der Kulturmischung, mit der Jeff Smith aufgewachsen ist. Grimms Märchen und Bugs Bunny gehören dazu, Herr der Ringe und Donald Duck. Schon als Schulkind in Pennsylvania wusste er, dass er diese Geschichten nicht nur konsumieren, sondern so etwas selbst schaffen wollte, erinnert sich der heute 44-jährige Autor und Zeichner im Gespräch in einem Berliner Café. Also kritzelte er als Neunjähriger kahlköpfige, knochige Fantasiefiguren mit Knubbelnase aufs Papier und nannte sie Fone, Phoney und Smiley Bone. Als Student ließ er das Trio dann in der Hochschulzeitung kleine Abenteuer erleben.

Dass er damit die Grundlagen legen würde für eine der bemerkenswertesten Erfolgsgeschichten der Popkultur, scheint den jungenhaften Mann mit den langen, braunen Locken auch heute noch zu verwundern. „Ich dachte, ich mache das für mich selbst und ein paar Comicfans“, sagt Smith und lacht auf. Stattdessen traf seine Fortsetzungsgeschichte, die seit Anfang der 90er als selbst verlegte Heftreihe erschien, den amerikanischen Massengeschmack. Die Geschichte, in der drei an Tolkiens Hobbits erinnernde Kerlchen durch eine fantastische Welt voller Drachen und Prinzessinnen, Monster und Helden irren, avancierte zu einer der erfolgreichsten amerikanischen Comicserien, sie wurde dutzendfach mit Preisen geehrt. Die Gesamtauflage geht in die Millionen, derzeit verhandelt Smith mit zwei Filmstudios über eine Zeichentrickversion der Fantasy-Geschichte. Und im November erscheinen zwei in den USA entstandene „Bone“- Computerspiele auch in Deutschland.

Das Erfolgsrezept des Comic-Romans verbindet die Einflüsse aus Smiths Jugend mit einer vielschichtigen Fantasygeschichte. Drei Cousins müssen ihre Heimat verlassen, weil der betrügerische Phoney Bone ein krummes Geschäft zu viel gemacht hat. Sie gelangen in ein geheimnisvolles, verzaubertes Tal. Dort freunden sie sich mit dem Mädchen Thorn und ihrer Großmutter an, die ein Geheimnis umgibt. Mit Hilfe der drei Bones wird eine dramatische Eskalation in Gang gesetzt, in der sprechende Tiere, versteinerte Götter, mittelalterliche Armeen und andere märchenhafte Figuren eine Rolle spielen. Dazu kommen philosophische Exkurse, ein teils absurder Humor und ausgefeilte Charaktere, die sich oft überraschend entwickeln. Das Gesamtwerk umfasst 1330 Buchseiten. Vor zwei Jahren schloss Smith die in Schwarzweiß gezeichnete Geschichte ab, seitdem sind er und seine Frau, die mit ihm das „Bone“-Unternehmen leitet, damit beschäftigt, das Epos nach und nach zu kolorieren und weltweit zu vermarkten. In diesen Tagen erscheint der erste Farbband auf Deutsch, und zwar im renommierten Tokyopop-Verlag, der sich sonst auf Mangas spezialisiert hat, Comics im enorm populären japanischen Stil.

Dass ausgerechnet das von traditionellen Vorbildern geprägte „Bone“ in diesem trendigen Umfeld erscheint, ist ein Indiz dafür, dass der US-Bestseller in Deutschland ebenfalls ein Erfolg werden könnte. Denn auch wenn die komplexe Geschichte Leser aller Altersgruppen anspricht, sind doch vor allem die jugendlichen Fans für den großen Erfolg in den USA verantwortlich, sagt Smith, der gerade eine fünfwöchige Werbetour durch Europa begonnen hat. Inzwischen gebe es in den Vereinigten Staaten sogar eine Schulbuchausgabe von „Bone“.

Auch wenn die ersten Skizzen noch aus Kindertagen stammen – mit den Hauptzeichnungen zum Buch verbrachte Smith 13 Jahre seines Lebens. Bereut habe er diese Entscheidung nie. „Ich habe kein einziges Mal daran gedacht aufzugeben, sondern immer nur: Wie halte ich die Geschichte am Leben?“ Die wichtigste Stütze war dabei seine Frau Vijaya, die das Verlagsgeschäft in die Hand nahm, sagt er. Die inspirierte auch viele der schlagfertigen Dialoge. „Wenn wir uns zu Hause streiten oder wenn Vijaya einen witzigen Spruch bringt, halte ich das fest und lege es hinterher einer meiner Figuren in den Mund“, sagt Smith. Da verwundert es nicht, dass die weibliche Hauptfigur Thorn Smiths Frau auch optisch sehr ähnlich sieht. Eine andere wichtige Anregung, die zum Massenerfolg beitrug, kam von Art Spiegelman, dem Zeichner, der für sein Holocaust-Buch „Maus“ den Pulitzerpreis bekam. „Art überzeugte mich, das Buch nach 13 Jahren noch einmal zu überarbeiten und in Farbe herauszubringen“, sagt Smith, „denn anders als das schwarz-weiße ,Maus‘ handelt ,Bone‘ vom Leben.“

Farbausgabe von „Bone“ als Serie bei Tokyopop, pro Band 10 Euro. Schwarz-weiße Ausgabe bei Tokyopop und Carlsen. www.boneville.com

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