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Panorama: Prinzessin zwischen den Welten

Zara Phillips, Enkelin der Queen, spielt mit den strengen Regeln des Hofs

Eine junge Frau steht burschikos gekleidet in einer Gruppe junger Reiter und unterhält sich angeregt mit ihnen. Würden nicht Fotografen um die Gruppe schleichen und sie ins Visier nehmen, könnte man sie für eine gewöhnliche normale Reiterin halten. Doch Zara Phillips ist nicht einfach eine junge Frau auf diesem Turnier. Sie ist die Enkelin der englischen Königin und steht in der Thronfolge nicht allzu weit hinter ihren beiden Cousins William und Harry; direkt hinter ihrem Bruder Peter und ihrer Mutter Prinzessin Anne.

Die 24-jährige Prinzessin wandelt gerne zwischen den Extremen und lässt sich nur schwer in die gewohnten Schablonen der königlichen Familie zwängen. Die Enkelin von Queen Elizabeth II. tritt mit ihren Pferden bodenständig und umgänglich auf, wird von den Kollegen als sehr nett und bescheiden wahrgenommen – um dann wieder die englischen Konservativen mit einem ungewöhnlichen Auftritt zu schocken: Ihr Retro-Kleid mit wilden Grafikmustern und Durchblick bis auf den BH zu hohen Stiefeln bei der Hochzeit ihres Onkels Charles mit Camilla hat die Hofberichterstatter sehr beschäftigt. Ihr Onkel Prinz Charles war es auch, der seiner Schwester Anne und deren damaligen Mann Captain Mark Phillips bei ihrer Geburt 1981 den Namen Zara vorgeschlagen hat.

Als Rebellin fiel Zara Phillips zum ersten Mal als ehemalige Schülerin der Gordonstoun School in Schottland auf, als sie in einem Jungenumkleideraum aufgegriffen wurde – wo Mädchen der Zutritt eigentlich streng verboten ist. Auch ihr Zungenpiercing gilt in englischen Adelskreisen noch keinesfalls als selbstverständlich. Auch nach ihrer Schulzeit machte sie immer wieder Schlagzeilen: Sie setzte ihren Land Rover nachts nach einer Heimfahrt von ihrem Freund, dem Jockey Richard Johnson, gegen einen Baum. Beide sollen sich vorher heftig gestritten haben. Die englischen Medien interessieren aber auch schon Nebensächlichkeiten – so präsentierte die „Sun“ zu den Vielseitigkeits-Europameisterschaften im englischen Blenheim Palace bei Oxford zwei Fotos, die Zara Phillips beim Ablaufen eines Parcours ohne Schuhe durch einen Wassergraben zeigen. Doch obwohl sie die Boulevardpresse wegen solcher Veröffentlichungen nicht sehr schätzt und sie bei den Turnieren zu ignorieren versucht, verkaufte sie Bilder von sich und ihrem Freund daheim einst selbst an das Magazin „Hello“.

Zuletzt war Phillips mit ihren Pferden vom Pech verfolgt. Im vergangenen Sommer stürzte sie bei einem Springreitturnier im südenglischen Lulworth an einem Hindernis vom Pferd und verlor dabei das Bewusstsein. Nur wenige Wochen später biss ihr ein Pferd ins Gesicht. Die Wange musste genäht werden.

Kurz vor den beiden Unfällen war Zara Phillips nur knapp an der Qualifikation zu den Olympischen Spielen in Athen gescheitert. Sie wäre dort direkt in die Spuren ihrer Mutter und ihres Vaters gestiegen: Prinzessin Anne war 1976 in Montreal selbst Teilnehmerin und ihr Vater Mark wurde vier Jahre zuvor in München mit seiner Mannschaft sogar Olympiasieger. Heute trainiert er seine Tochter und hat sich bei etlichen Turnieren auch einen Namen als Parcoursgestalter gemacht.

Vor drei Wochen hat Zara Phillips diesen kleinen Misserfolg aus dem vorigen Jahr vergessen gemacht: In ihrer Heimat wurde sie Europameisterin in der Vielseitigkeit mit der Mannschaft und im Einzel. Der sportliche Erfolg im so genannten Pferde-Dreikampf wird in England hoch angesehen und hat einen höheren Stellenwert als das Dressur- oder Springreiten. Deshalb verzieh man ihr sogar, dass sie nach dem Doppelsieg schreiend über den Parcours lief. „Es ist fantastisch“, jubelte sie anschließend. Ihre Mutter hat sie mit ihrem ersten großen internationalen Auftritt bereits überholt: Prinzessin Anne hatte vor 34 Jahren nur Einzelgold bei der EM gewonnen. „Sie hat gesagt, dass sie ganz stolz auf mich ist“, erzählte die Tochter später. Ganz entgegen der englischen Etikette, nahm Anne ihre Tochter bei der Siegerehrung sogar in den Arm.

„Die Paparazzi warten nur darauf, dass Zara ein dummes Gesicht macht“, sagt Bettina Hoy. Die deutsche Reiterin und ihr australischer Mann Andrew betreiben in England eine Pferdefarm. Dort stellt auch Mark Phillips seine Pferde unter. Zeitweise wird die deutsche Weltklassereiterin auch von Mark Phillips trainiert – und Hoy hat wiederum Zara früher Nachhilfe im Reiten gegeben. Die Prinzessin lebt in der unmittelbaren Nachbarschaft im Gatcombe Park und hat dort schon als Jugendliche als Pferdepflegerin geholfen.

Den Umgang mit Menschen hat die Prinzessin sogar beruflich gelernt: Vor vier Jahren hat sie ihre Ausbildung zur Physiotherapeutin beendet. Damit kann sie nicht nur ihren Freund behandeln, sondern auch ihre Pferde – denn anschließend hat sie sich zur Pferdetherapeutin weitergebildet. Ein Beruf, der sie schon kurz nach der Ausbildung sofort wieder in die Schlagzeilen brachte: Auf die Frage, ob Queen Elizabeth dem Fußballer David Beckham nach einem Autounfall kurz vor der WM 2002 denn einen guten Physiotherapeuten empfehlen könne, antwortete sie: „Ja, meine Enkelin Zara.“

Ingo Wolff

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