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Christoph Schmidt vor der Sankt-Thomas-Kirche in Kreuzberg, wo er und Norbert Reicherts die Messe lasen.

© dapd

Provokation mit Folgen: Eine Frage des Glaubens

Zwei homosexuelle Priester fordern die katholische Kirche heraus. Die droht mit allen verfügbaren Mitteln - und scheitert an den eigenen Prinzipien.

Er kämpft gegen eine mächtige Institution und die zeigt ihm nun ihr Schwert: Der katholische Priester Norbert Reicherts aus Köln soll aus dem Priesterstand entlassen werden, er soll „laisiert“ werden, weil er gegen die Ordnung der Kirche verstößt. Doch das ficht Norbert Reicherts ebenso wenig an wie das Berufsverbot, das die Kirche vor einigen Jahren bereits über ihn verhängt hat. Er macht trotzdem weiter: Er zelebriert Messen, tauft Kinder, traut Paare – und fühlt sich auf der richtigen Seite. „Glauben ist eine Haltung der Liebe, die offen ist für andere Menschen und unterschiedliche Lebenswege und kein System, das sich über den Ausschluss anderer definiert“, sagt Norbert Reicherts. Er sei katholischer Priester, egal, welche Strafe die Kirche über ihn verhänge. „Die Priesterweihe gilt für die Ewigkeit und wurde vor Gott abgelegt“, sagt Reicherts. Und Gott alleine fühlt er sich verpflichtet. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner sieht das anders: „Ihre Grundannahme, lediglich bei der Kirche als Arbeitgeber gekündigt zu haben und damit nicht Ihr Priestertum aufgegeben zu haben, kann ich in keiner Weise teilen“, hat er Reicherts geschrieben. Es gebe kein von der Kirche losgelöstes, „absolutes“ Priestertum.

Das Verhältnis zwischen dem katholischen Priester Norbert Reicherts und seiner Kirche wurde schwierig, als Reicherts mit seinem Lebenspartner, dem Priester Christoph Schmidt zusammenzog und seine Homosexualität offen auslebte. Das ist Priestern nicht erlaubt, sie sind dem Zölibat verpflichtet, gelebte Homosexualität gilt zudem als Sünde. Die beiden Priester hielten die Geheimnistuerei nicht mehr aus und verlangten 1998 von sich aus die Suspendierung von ihrem Ämtern. Doch wer suspendiert ist, hat Berufsverbot. Reicherts und Schmidt aber gründeten in Köln ihr eigenes „Zentrum für Seelsorge und Theologie“, sie taufen Kinder, trauen Paare und wirken als Seelsorger. „Auch wenn man uns vom Amt suspendiert hat, so bleiben wir doch weiterhin katholische Priester. Dazu fühlen wir uns auch berufen“, sagt Reicherts. Am 21. September feierte Norbert Reicherts, unterstützt von seinem Partner Christoph Schmidt, in einer evangelischen Kirche in Berlin einen ökumenischen Gottesdienst mit Abendmahl – am Vorabend des Papst-Besuchs in Berlin. Da platzte den Bischöfen endgültig der Kragen. Denn zu diesem Gottesdienst haben die beiden ausdrücklich alle Menschen eingeladen – unabhängig davon, ob sie katholisch oder evangelisch sind, verheiratet, geschieden, hetero- oder homosexuell. Katholische Priester dürfen aber nur Katholiken das Abendmahl spenden und auch nur denen, die gemäß der Lehre der katholischen Kirche leben. „Das angekündigte Abendmahl mit Christen verschiedener Konfessionen war ein krasser Verstoß gegen die Ordnung der Kirche und eine Provokation der katholischen Kirche“, hat der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker an Reicherts geschrieben und angekündigt, er werde in Rom beantragen, dass Reicherts aus dem Priesterstand entlassen werde. Reicherts erwiderte, gerade indem er alle Menschen zum Abendmahl einlade, fühle er sich der „ureigensten Tradition der Kirche verpflichtet“. „Jesus lud die Menschen, denen er begegnete, zu sich ein, ohne Ansehen ihrer Person und ihres Seins.“

Im Vorfeld hatte der Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki den umstrittenen Gottesdienst verboten und rechtliche Konsequenzen angedroht, falls sie sich nicht daran halten. Jetzt hat sich der Paderborner Erzbischof Becker eingeschaltet, da Reicherts einst in Paderborn zum Priester geweiht wurde.

So stehen sich zwei verschiedene Glaubenssysteme gegenüber: Was macht die katholische Kirche aus? Was einen katholischen Priester? Aus Sicht der Kirche sind es die Glaubensinhalte und Dogmen, die über 2000 Jahre von Päpsten und Kirchenvätern überliefert und auf Kirchenkonzilien festgelegt wurden. Allein darin offenbart sich nach katholischem Verständnis die universale Wahrheit. Reicherts und Schmidt setzen ihre Auslegung dagegen: Für ihr Priestersein sei ihr Glaube an Gott ausschlaggebend und weniger die Frage, ob sie mit ihrem Leben und ihren Handlungen gegen die Lehre der Institution verstoßen. „Sie verstecken sich hinter einem kirchenrechtlichen System, lassen Ihre scheinbare Macht bejubeln. Sie beschwören eine einzige weltweit gültige Ordnung Ihrer Kirche und haben darüber das Wesentliche vergessen: Das Heil des jeweils einzelnen Menschen, der als Ebenbild Gottes geschaffen wurde“, antwortete Reicherts dem Erzbischof.

Sollte der Papst tatsächlich die Drohung der Laisierung wahr werden lassen, würde das Norbert Reicherts und Christoph Schmidt nicht davon abhalten, weiter als Priester zu arbeiten. Kirchenrechtlich verliert ein katholischer Priester durch die Laisierung wie auch schon durch die Suspendierung vom Amt zwar die Berechtigung zu kirchlichen Amtshandlungen. Die Priesterweihe selber bleibt aber gültig. Denn nach katholischem Verständnis handelt bei der Weihe Gott selbst. Das Schwert ist stumpf, das die Kirche gegen Reicherts schwingt.

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