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Einsiedler

© Foto. dpa

Prozess: Einsiedler lebte jahrelang im Wald

Ein amerikanischer Tourist ist wegen Drogenbesitzes verurteilt worden. Der Mann hatte seit einer Reise durch Deutschland vor sieben Jahren einsam in einem abgeschiedenen Waldstück gelebt und dort Cannabis gehortet.

Rückkehr in die Zivilisation: Nach jahrelangem Einsiedler-Dasein im Wald ist ein amerikanischer Tourist wegen Drogenbesitzes zu 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Für ihn ist das die Chance auf ein neues Leben. Der 43- Jährige war kurz nach der Jahrtausendwende auf seiner Reise durch Deutschland aus unglücklichen Umständen im Moseltal hängen geblieben.

Das Koblenzer Amtsgericht verurteilte den Mann, weil dieser bei seiner Festnahme im März in seinem Unterschlupf 138 Gramm Cannabis gelagert hatte. Zudem habe er keine gültige Genehmigung für einen Aufenthalt in Deutschland besessen. Der "Waldmensch" war Anfang 2000 als Tourist eingereist. Viele Jahre lebte er bei Kobern-Gondorf nahe Koblenz abgeschieden im Wald. Zuletzt saß er in Untersuchungshaft.

Wie ein Rübezahl sieht der Mann nicht aus: Er trägt eine blaue Jeans, ein weißes Hemd und ist rasiert. In fließendem Deutsch mit amerikanischem Akzent erzählt der in New York geborene Amerikaner, was ihn nach Rheinland-Pfalz in die Einsamkeit trieb. Im Jahr 2000 habe er eine Tour durch Europa gemacht, an der Mosel eine Frau kennen gelernt und beschlossen zu bleiben. Der US-Bürger arbeitete nach eigenen Angaben unter anderem in Fast-Food-Restaurants und kümmerte sich regelmäßig um die Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung. Dann verließ ihn jedoch das Glück: Die Beziehung mit der Freundin sei in die Brüche gegangen, auch seinen Pass fand er nicht mehr.

Freundlicher Einzelgänger

Ohne Pass, ohne Aufenthaltsgenehmigung und ohne Wohnsitz zog sich der Mann 2003 in den Wald zurück - die Natur mochte er ohnehin. In den USA habe er oft gezeltet, erzählt der 43-Jährige, der Landschafts- und Gartenbau studiert hat. Anwalt Dirk Janotta beschreibt ihn als Einzelgänger, der ausgesprochen freundlich sei. "Er ist der nette Junge von nebenan." Auch im Wald habe sein Mandant Wert auf ein gepflegtes Äußeres gelegt und sei beispielsweise regelmäßig zum Friseur gegangen. Einwohner hatten den  43-Jährigen des öfteren im Ort gesehen. Manche vermuteten, dass diverse Diebstähle und Einbrüche auf sein Konto gehen könnten. Die Ermittlungen hierzu wurden jedoch laut Staatsanwaltschaft Koblenz eingestellt.

Mit Cannabis habe er starke Schmerzen bekämpfen wollen, unter denen er wiederholt wegen einer Borreliose gelitten habe, erklärt der Angeklagte. Die Krankheit wird von Zecken übertragen. Die Vorsitzende Richterin Ulrike Weitzel hielt dem Geständigen zu Gute, dass er die Drogen selbst konsumiert und nicht verkauft habe. Zudem habe er eine günstige Sozialprognose. "Er ist bemüht, sein Leben auf die Reihe zu kriegen." Das Amtsgericht verband die Bewährungsstrafe mit einer Reihe von Auflagen. So muss der ehemalige "Einsiedler" innerhalb einer Woche eine feste Wohnung finden.

Staatsanwaltschaft und Verteidigung akzeptierten das Urteil - die Beteiligten hatten zuvor über das mögliche Strafmaß beraten. Der Amerikaner verließ das Gericht als freier Mann. Einer seiner ersten Wege sollte zur Caritas führen, um Hilfe bei der Wohnungssuche zu bekommen. Er plane, in Deutschland zu bleiben und möglicherweise seine derzeitige Freundin zu heiraten. "Man kann mich einen Waldmenschen nennen, aber ich kann durchaus mit anderen Menschen umgehen", stellt der 43-Jährige klar. In den Wald werde er auch künftig gehen - für Spaziergänge. "Nicht zum Wohnen." (mit dpa)

Bettina Grachtrup

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