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© dpa

Prozess: Fall Dominik Brunner: Er war Wortführer

Christian T. hat Dominik Brunner nie gesehen. Dennoch spielte er bei seinem gewaltsamen Tod eine Rolle.

Der Angeklagte kommt über den Hinterhof: In einem Kleinbus wird der heute 18-jährige Christoph T. zu einem Hintereingang des Münchner Strafjustizzentrums an der Nymphenburger Straße gebracht. Er trägt Jeans und eine dunkle Jacke. Sein Gesicht verbirgt er vor den an der Einfahrt wartenden Fotografen unter einem bunten Tuch. Und auch im Gerichtssaal B 177 gibt es von ihm keine Bilder – der Blick auf die Türen ist mit hohen Sperrholzwänden verstellt. Denn der erste Prozess im Zusammenhang mit dem im letzten September auf dem Münchner S-Bahnhof Solln getöteten Dominik Brunner findet wegen des jugendlichen Alters des Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – um „Bloßstellungen und Stigmatisierungen“ zu vermeiden, wie das zuständige Amtsgericht mitteilte.

Christoph T. hat Dominik Brunner nie persönlich gesehen. Dennoch löste er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eine Kette von Ereignissen aus, die letztlich mit dem Tod des 50-Jährigen endete. Am S-Bahnhof Donnersberger Brücke bedrohte er als Wortführer mit seinen beiden Kumpanen Markus S. und Sebastian L. eine Gruppe von Kindern im Alter von 13 bis 15 Jahren. Offenbar ging es um 15 Euro, die die Täter von den Kindern erpressen wollten. Als diese kein Geld herausrückten, schlug Christoph T. zweimal zu. Danach stieg er in eine S-Bahn und fuhr allein davon. Vorher soll er allerdings noch seine beiden Freunde angestachelt haben, es den Kindern „zu zeigen“.

Die stiegen dann auch tatsächlich mit ihren Opfern in eine S-Bahn in Richtung Solln – wo sie auf Dominik Brunner trafen, der sich schützend vor die Kinder stellte. Auf dem Bahnsteig in Solln kam es dann zu der gewalttätigen Auseinandersetzung, die schließlich mit dem Tod Brunners endete. Markus und Sebastian müssen sich deshalb in einem eigenen Prozess wegen Mordes vor Gericht verantworten. Der Beginn dieses Verfahrens, das ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden soll, steht allerdings noch nicht fest. Christoph T., der bereits vor dem Prozess ein weitgehendes Geständnis abgelegt hatte, war unter anderem wegen Körperverletzung und versuchter räuberischer Erpressung angeklagt. Als er von der Festnahme seiner Freunde erfahren hatte, schrieb er zudem in einem Internetforum: „Schießt alle Bullen tot und holt den Basti und den Markus raus.“ Deshalb musste er sich auch noch wegen öffentlicher Aufforderung zu einer Straftat verantworten, zudem wegen Drogenbesitzes. Bei der Tat selbst soll auch Alkohol im Spiel gewesen sein. Wie viel, ist allerdings unklar, weil er erst einen Tag nach der Tat festgenommen wurde. Vor Gericht sagten zunächst zwei der jungen Opfer aus. Gehört wurden zudem eine unbeteiligte Zeugin des Erpressungsversuchs sowie Gutachter. Zu Details der Aussagen wollte sich eine Gerichtssprecherin allerdings mit Verweis auf die Nichtöffentlichkeit nicht äußern.

Nach seiner Verhaftung am 13. September 2009 saß Christoph T. knapp sechs Monate in Untersuchungshaft – obwohl die Vorwürfe gegen ihn weit weniger schwer wiegen als die gegen seine beiden Freunde. „Unverhältnismäßig“ nennt deshalb sein Rechtsanwalt Tom Heindl die lange Haftzeit: Ohne den „Gewaltexzess“ seiner Freunde in Solln und die damit verbundene große öffentliche Aufmerksamkeit für den Fall wäre es nie zu einer Inhaftierung gekommen. Die Justiz hatte die lange Untersuchungshaft dagegen mit einer drohenden Fluchtgefahr begründet. Erst am 11. März war Christoph T. schließlich aus der U-Haft entlassen worden – allerdings unter strengen Auflagen. So musste er sich bis zum Prozessbeginn außerhalb Münchens einer Drogen- und Alkoholtherapie unterziehen. Wie seine beiden Freunde war Christoph T. bereits vor der Tat an der Donnersberger Brücke der Polizei bekannt. Sein Register reichte von Diebstahl bis Drogenbesitz, allerdings war er zuvor nie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Seine Anwälte beteuerten vor dem Prozess, der heute 18-Jährige sei inzwischen von Alkohol und Drogen losgekommen. Offensichtlich habe bei ihm ein Umdenken eingesetzt.

Das Gericht trug dem Rechnung. In fünf Monaten will es je nach Therapiefortschritt entscheiden, ob es die Strafe zur Bewährung aussetzt. 19 Monate Haft, so lautet das Urteil.

Henry Stern[München]

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