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Prozess: Freispruch für Michael Jackson

Nach dem Freispruch von Michael Jackson hat sich der Popstar auf seine Neverland-Ranch im US-Bundesstaat Kalifornien zurückgezogen. Der überraschende Freispruch in allen zehn Anklagepunkten bewahrte den wegen Kindesmissbrauchs angeklagten einstigen "King of Pop" vor einer möglichen langjährigen Haftstrafe.

Santa Maria (14.06.2005, 17:17 Uhr) - Das Urteil der Geschworenen im Prozess wegen Kindesmissbrauchs hat weltweit gespaltene Reaktionen ausgelöst. Der 46-jährige Popstar selbst zeigte sich «äußerst erleichtert und dankbar» über den Spruch der Jury, die ihn am Montag (Ortszeit) im kalifornischen Santa Maria überraschend in allen zehn Anklagepunkten freigesprochen hatte. Die Mehrheit der Amerikaner glaubt aber weiter an seine Schuld. Bei einer repräsentativen Umfrage des Fernsehsenders CNN erklärten 67 Prozent der Teilnehmer, sie seien «nicht zufrieden» mit dem Urteil.

Jackson erholt sich derweil auf seiner Neverland-Ranch von den Strapazen des fünfmonatigen Prozesses. «Jetzt hat er wieder eine Zukunft», sagte sein Verteidiger Thomas Mesereau am Dienstag. Konkrete Pläne für die nächsten Monate sind aber noch nicht bekannt. Ein Deutschland-Besuch ist nach Angaben des Europa-Managers der Jackson-Familie, Ralf Seßelberg, nicht absehbar. Die Familie plane zwar ein «Danke-Schön-Fest» für die deutschen Fans. «Dazu könnten Familienmitglieder kommen, wie der Vater, aber sehr wahrscheinlich nicht Michael Jackson», sagte der Manager und dementierte damit anders lautende Medienberichte.

Nach 14 Prozesswochen und siebentägigen Beratungen hatten die zwölf Geschworenen einstimmig das Urteil «nicht schuldig» gefällt. Sichtlich verängstigt war Jackson in Begleitung seiner Eltern und einiger Geschwister zur Urteilsverlesung von seiner Ranch in den Gerichtssaal geeilt. Dort teilte ihm Richter Rodney Melville mit: «Herr Jackson, Sie sind entlastet und können gehen.»

Nach dem Freispruch wischte sich der Sänger einige Tränen ab, zeigte sonst aber kaum eine Reaktion. Kraftlos winkte er mit starrem Gesichtsausdruck den jubelnden Fans vor dem Gerichtsgebäude zu, verteilte einige wenige Luftküsse und stieg dann wortlos in eine schwarze Limousine. Während Jackson sich selbst noch nicht öffentlich zu dem Freispruch äußerte, machte sein Anwalt klar: «Der Mann ist unschuldig. Das war er immer schon.» Der ganze Prozess sei «Unfug» gewesen. Die Staatsanwaltschaft habe versucht, aus einem Nichts einen Fall zu konstruieren.

Jackson war vor allem vorgeworfen worden, im Frühjahr 2003 einen 13-jährigen Jungen sexuell missbraucht zu haben. Zudem war er angeklagt, die Familie des Jungen unter Druck gesetzt und quasi gefangen gehalten zu haben. Die Jury sprach den Musiker auch vom Vorwurf der Verschwörung zur Entführung und der Abgabe von Alkohol an einen Minderjährigen frei. Im Falle eines Schuldspruchs hätten dem Sänger bis zu 20 Jahre Haft gedroht. Ein Polizeiwagen stand bereit, um den Sänger nach einer Verurteilung in ein Gefängnis in Santa Barbara zu bringen.

Die Geschworenen schenkten dem Jugendlichen, der Jackson beschuldigt hatte, keinen Glauben. Der Junge und dessen Mutter hätten den Eindruck von Lügnern und Betrügern gemacht, sagte eine 45-jährige Geschworene am Montag nach der Urteilsverlesung. «Ich glaube, dass Jackson wahrscheinlich Jungen auf Neverland belästigt hat», bekannte ein anderes Jury-Mitglied freimütig auf CNN. Der 62-jährige Ingenieur konnte sich nur zu einem Freispruch durchringen, weil er dem jugendlichen Beschuldiger «mit einer Lügnervergangenheit» nicht hundertprozentig traute.

Ankläger Tom Sneddon zeigte sich enttäuscht über den Freispruch. Er ließ keinerlei Bedauern durchblicken über seine seit Jahren andauernden Bemühungen, den Popstar hinter Gitter zu bringen. «Wir würden keineswegs davor zurückschrecken», sagte der Staatsanwalt auf die Frage von Reportern, ob er erneut Anklage erheben würde, wenn wieder eine Mutter behaupten sollte, der Sänger habe ihr Kind missbraucht. Allerdings fügte Sneddon hinzu: «Wir würden uns den Fall vorher sehr genau anschauen.»

In einer ersten Reaktion äußerte sich Jacksons Ex-Frau Debbie Rowe «äußerst erfreut» über den Freispruch. Sie hatte für die Anklage als Belastungszeugin gegen Jackson aussagen sollen. Im Zeugenstand lobte sie ihn dann aber als «guten Vater». Sie hätte niemals einen Pädophilen geheiratet, sagte Rowe in einer schriftlichen Erklärung.

Mit Jubel und Begeisterung reagierten Jacksons Anhänger. Hunderte Fans des Musikers umarmten sich, tanzten und warfen Konfetti. Eine Frau ließ nach jedem Freispruch zu den zehn Anklagepunkten eine weiße Taube als Symbol für Jacksons gewonnene Freiheit aus einem Käfig aufsteigen. Vor dem mit roten Pappherzen geschmückten Eingang zu Jacksons Neverland-Ranch bestürmten Fans den Autokonvoi des Sängers.

In der Umfrage des Fernsehsenders CNN erklärten hingegen zwei Drittel der Teilnehmer, sie seien «nicht zufrieden» mit dem Urteil der Jury. Davon meinte allerdings nur knapp ein Viertel, die Entscheidung sei «empörend». Lediglich 27 Prozent begrüßten den Freispruch eindeutig. An der Umfrage des Gallup-Instituts im Auftrag von CNN nahmen 635 Erwachsene teil. Zweifel an der Unschuld Jacksons wurden auch in europäischen Kommentaren geäußert: «Wenn ein Kind belästigt wurde und niemand dafür bezahlt, ist das schlecht», schreibt am Dienstag die Mailänder Tageszeitung «Corriere della Sera». Die flämische Boulevardzeitung «Het Laatste Nieuws» meinte: «Die Fans haben Recht bekommen.»

Prozessbeobachter kommentierten den Freispruch in allen Punkten als unerwarteten Sieg des Angeklagten. Star-Verteidiger Thomas Mesereau sei es gelungen, die Glaubwürdigkeit von Jacksons Beschuldiger und dessen Mutter in Frage zu stellen. Mesereau hatte sie während des 14-wöchigen Prozesses immer wieder als Betrüger, Schauspieler und Lügner dargestellt, die sich an dem «naiven» Popstar bereichern wollten.

Nach dem Ende des Strafprozesses droht Jackson noch ein juristisches Nachspiel. Der jetzt 15-jährige Beschuldiger kann sich in den nächsten drei Jahren entscheiden, noch mit einer Zivilklage gegen den Sänger vorzugehen. Ein Schuldspruch der Geschworenen hätte es ihm allerdings erleichtert, einen Millionenbetrag einzufordern. (tso)

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