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Prozess: Notarzt hätte Lea-Sophie nicht retten können

Ein neuer Prozesstag, weitere schreckliche Erkenntnisse über den Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie: Der Grad ihrer Unterernährung sei dem Gutachter nur aus Hungerkatastrophen in Afrika bekannt.

Der qualvolle Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie aus Schwerin war nach Ansicht eines medizinischen Gutachters durch den Notarzt nicht mehr zu verhindern. Ohne Notarzt wäre das Kind in der elterlichen Wohnung und nicht im Krankenhaus gestorben, sagte Egbert Herting von der Universitätsklinik Lübeck am Samstag als Gutachter vor dem Landgericht in Schwerin. Der Verhandlungstag am Wochenende war zusätzlich anberaumt worden, um gesetzliche Prozessfristen zu wahren.

Die bis auf die Knochen abgemagerte Lea-Sophie war im November 2007 nach monatelanger Vernachlässigung gestorben. Die Eltern müssen sich wegen Mordes durch Unterlassen verantworten. Am Samstag sollten sich zudem psychiatrische Gutachter zur Schuldfähigkeit der Eltern äußern.

Vater: "Ich war für alles der Sündenbock"

Mediziner Herting sagte weiter, die Fünfjährige hätte vielleicht noch eine Überlebenschance gehabt, wenn sie etwa eine Woche früher ins Krankenhaus gebracht worden wäre. Das Gehirn sei aber durch die körperliche Schwächung bereits geschädigt gewesen. Ein solch hoher Grad von Unterernährung sei ihm in seiner mehr als 20-jährigen Berufstätigkeit noch nie begegnet. Vergleichbare Fälle seien nur aus Berichten über Hungerkatastrophen in Afrika bekannt.

Die Eltern des Kindes hatten im bisherigen Prozessverlauf erklärt, dass Lea-Sophie nach der Geburt ihres Bruders im vergangenen September nicht mehr habe essen wollen. Hilfe von Außen ließen sie aber nicht zu. Die selbst gewählte Isolation der jungen Familie wurde offenbar durch ein spannungsgeladenes Verhältnis zwischen den Eltern und Großeltern von Lea-Sophie noch gefördert. "Wir hatten Angst, dass sie (die Großeltern) mit allen Mitteln versuchen, Lea-Sophie zu bekommen", sagte der 26-jährige Vater. "Ich war für alles der Sündenbock", berichtete der arbeitslose Mann vor Gericht. Das Urteil wird Anfang Juli erwartet. (mpr/dpa)

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