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Prozess: Stalker gesteht Mord

Vor Gericht zeigt der Angeklagte keine Reue. Im November 2005 soll er seine Ex-Freundin Lena mit 26 Messerstichen getötet haben. Der Vater des Opfers sagt: Die Tat hätte verhindert werden können.

Nürnberg - Wie der Auszubildende über seine Tat denkt, trägt er mit seiner Jacke offen zur Schau: "ICED" steht darauf - und eisig ist auch sein Geständnis. Am 22. November 2005 soll der 21-Jährige in Neunkirchen am Sand seine Ex-Freundin Lena mit 26 Messerstichen getötet haben. Laut Staatsanwaltschaft kündigte Ralf H. die Tat zuvor im Internet an. Dennoch behauptet der Angeklagte ungerührt: "Wenn sie zu einem Gespräch bereit gewesen wäre, wäre es zu der Tat nicht gekommen."

Seit Dienstag muss sich der Mann vor der Jugendkammer des Nürnberger Landgerichts wegen Mordes verantworten. Niemand erwähnt im Schwurgerichtssaal 600 das Wort "Stalking". Doch genau darum geht es nach Auffassung des Vaters des Opfers, der Nebenkläger ist. Er hat angekündigt, Versäumnisse von Polizei und Justiz in dem Verfahren klar zu benennen. Denn seiner Meinung nach hätte der Mord an seiner Tochter verhindert werden können, wenn die Signale richtig gedeutet worden wären.

Nach zwei Monaten war Schluss

Eine dreiviertel Stunde verwendet der Angeklagte darauf, sein Opfer als launische und unberechenbare Frau zu schildern. Er habe ihr doch immer nur helfen wollen. So auch beim Kennenlernen via Internet-Chat. Dort habe ihm Lena im März 2005 die Übergriffe ihres Ehemannes geschildert. Er habe ihm einen Psychologen empfohlen, zwischen beiden vermittelt, behauptet der Angeklagte nun. "Irgendwann hat sie mir per SMS geschrieben, dass sie weitergehende Gefühle für mich hege." Schon im Mai 2005 zog er bei ihr ein. Doch der Auszubildende war wegen Praktika selten daheim. Und wenn er da war, kam es oft zu Streit. Schon zwei Monate später war Schluss. "Sie sagte, ich sei charakterlich wie ihr Ehemann. Das hat mich sehr getroffen", sagt er aus.

Der 21-Jährige bemüht sich um eine gewählte Ausdrucksweise, präsentiert sich als rational handelnder Mensch. Doch wenn es um seine Ex-Freundin geht, stellt er sich als willenloser Spielball dar, der von Lena nach Belieben hin- und hergeworfen worden sei. "Niemand hat meine Sorgen mit ihr ernst genommen, der Psychologe hat mich ausgelacht."

Kontaktverbot nach Angriff

Nach dem Rauswurf bedrohte er den Ex-Mann Lenas per SMS. Er kam in die Psychiatrie. Als er wieder draußen war, bat er die junge Frau um eine Aussprache. In Anwesenheit ihres Vaters schrieen sich beide an, bis dem Mann die Hand ausrutschte. Er würgte sie. Lena beantragte ein Kontaktverbot vor dem Amtsgericht Hersbruck. Dem Antrag wurde stattgegeben. Vorherige Versuche waren nach Angaben des Vaters noch abgelehnt worden.

"Ich wünschte ihr den Tod", sagt der Angeklagte. In ihm habe sich eine enorme Wut aufgebaut, insbesondere nachdem er von den Affären erfahren habe, die Lena selbst während ihrer gemeinsamen Beziehung gehabt habe. Zu diesem Zeitpunkt begann er, Freunde in sein Vorhaben einzuweihen. Im Internet soll er geschrieben haben: "Ihr Todestag steht fest." Und Richter Hans Neidiger verliest einen Brief, den Ralf H. am Tag vor der Tat an eine Freundin abschickte: "Wenn du diesen Brief liest, werde ich wohl im Gefängnis sitzen, denn am Dienstag habe ich Lena umgebracht."

Das Messer habe er am Tag der Tat nur aus Gewohnheit mitgehabt. Doch als Lena schreiend vor ihm davon gelaufen sei, habe er einen Blackout gehabt. "Es war wie eine innere Explosion, ich griff zum Messer, und dann kam es zur Tat." Makaberes Detail am Rande: Lena verschanzte sich bei ihrer Flucht hinter einer hochschwangeren Frau - doch ihr Ex-Freund stach über sie hinweg auf sie ein. Dieses dramatische Geschehen nimmt jedoch in der Schilderung des Angeklagten gerade mal 30 Sekunden ein. Wütend ruft ihm Staatsanwalt Reinhard Lubitz deshalb am Ende zu: "Wenn überhaupt Sympathie für Sie vorhanden war, verscherzen Sie die sich gerade." Da sagt der junge Mann auf der Anklagebank gar nichts mehr. (Von Jörg Völkerling, ddp)

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