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Erst unter Druck erklärte sich Naomi Campbell bereit, in Den Haag auszusagen. Ob ihre Angaben Charles Taylor für immer hinter Gitter bringen werden, ist fraglich.

© picture alliance / landov

Prozess um Liberias Ex-Diktator: Naomi Campbell und die blutigen Steine

Supermodel Naomi Campbell soll vor dem Sondergericht in Den Haag gegen Liberias Ex-Diktator Taylor aussagen.

Für die Verteidiger des früheren liberianischen Präsidenten Charles Taylor sind die Auftritte des britischen Supermodels Naomi Campbell und der amerikanischen Schauspielerin Mia Farrow nicht mehr als ein „Publicity-Spektakel“. Doch für die Chefanklägerin Brenda Hollis könnte die Aussage der 40-jährigen Campbell die entscheidende sein.

Am kommenden Donnerstag muss Campbell vor dem Sondergericht für Sierra Leone in der niederländischen Hauptstadt Den Haag aussagen. Es geht um ein Zusammentreffen mit Taylor im Jahr 1997. Taylor hatte sich gerade nach seiner brutalen Machtergreifung in Liberia zum Präsidenten wählen lassen. Vor den Wahllokalen sollen die Menschen gesungen haben: „Er hat meine Mutter getötet, er hat meinen Vater getötet, aber ich wähle ihn.“ Taylor hatte zuvor den Diktator Samuel Doe entmachtet und nach stundenlangen Foltern, die auf einem Video festgehalten wurden, töten lassen. Taylor war mal Minister unter Doe gewesen und flüchtete in die USA, weil er von Doe beschuldigt worden war, Millionen von Dollars unterschlagen zu haben. Als Taylor nach Liberia zurückkehrte, stellte er eine Rebellentruppe zusammen, die brutal aber erfolgreich in kurzer Zeit in die Hauptstadt Monrovia vorrückte. Sein Kampfgefährte aus dem Nachbarland Sierra Leone, der damalige Chef der Rebellentruppe Revolutionary United Front (RUF), Foday Sankoh, tat sich mit der Machtergreifung schwerer.

Die Anklage wirft Taylor vor, er habe die RUF im Tausch gegen Diamanten mit Waffen versorgt. Sein Einfluss sei so groß gewesen, dass er die Grausamkeiten der RUF habe steuern können. Das Markenzeichen der RUF war es, überfallene Dörfer zu plündern, abzufackeln, den Dorfbewohner die Lippen oder Nasen abzuschneiden und anderen die Hände oder Arme abzuhacken. Mindestens 250 000 Menschen wurden in dem Bürgerkrieg, der zwischen 1991 und 2001 tobte, umgebracht. Wie viele Menschen verstümmelt wurden, ist unklar. Aber jeder der drei oder vier Millionen Menschen in Sierra Leone ist in irgendeiner Weise Opfer dieses Bürgerkriegs geworden.

Charles Taylor leugnet jede Schuld. Er sei unschuldig, sagte er im Juli 2009, als die Verteidigung nach gut zwei Jahren Prozess das Wort bekam. Er will nicht für Kriegsverbrechen, die Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenvergewaltigungen oder andere Untaten verantwortlich sein. Für Chefanklägerin Hollis ist es der entscheidende Baustein ihrer Strategie, Taylor mit Rohdiamanten aus Sierra Leone, sogenannten Blutdiamanten, direkt in Verbindung zu bringen. Und genau das erhofft sie sich von der Aussage Campbells.

1997 traf Campbell bei einem Wohltätigkeitsessen beim südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela auf Charles Taylor. Ihre Agentin Carol White, die am 9. August vor dem Gericht aussagen soll, berichtet, Taylor habe mit Campbell geflirtet. Später habe sie gehört, er wolle dem Model Diamanten schenken, und zwar nicht nur einen. Zwei Boten hätten das Geschenk in der Nacht übergeben. Mia Farrow, die ebenfalls an dem Essen teilgenommen hat, berichtete dem Fernsehsender ABC, Campbell habe ihr am nächsten Morgen von dem Geschenk berichtet. Farrow spricht allerdings von einem großen Rohdiamanten, White von mehreren kleineren Steinen. Beide berichten übereinstimmend, Naomi Campbell habe den oder die Diamanten nicht behalten wollen und gesagt, sie werde sie der Nelson-Mandela-Stiftung schenken. Die Stiftung wiederum bestätigt zwar für die Jahre 1997 und 1998 Geldspenden im Wert von jeweils 50 000 Dollar. Diamanten habe sie jedoch von Campbell nie bekommen.

Campbell selbst hat sich lange geziert, nach Den Haag zu reisen. Erst als der Strafgerichtshof ihr mit einer Strafe von bis zu sieben Jahren Haft drohte, sollte sie nicht aussagen, war Campbell bereit zu kooperieren. Als sie im April von einer ABC-Reporterin nach dem Diamanten gefragt wurde, sagte Campbell mit gefrorenen Gesichtszügen: „Ich habe keinen Diamanten bekommen, und ich werde nicht darüber sprechen, vielen Dank auch.“ Wenig später stürmte sie aus dem Studio und stieß auf dem Weg dem Kameramann sein Arbeitsgerät aus der Hand.

Schwer zu sagen, ob Campbell, deren Temperament sie mehrfach wegen Körperverletzung als Angeklagte vor Gericht gebracht hat, auch die Chefanklägerin tätlich angreifen möchte – oder Mia Farrow, die ihr den ganzen Ärger eingebrockt hat. Farrow hatte sich mit ihrer Erinnerung an das Gericht in Den Haag gewandt und erreicht, dass die Anklage, obwohl seit mehr als einem Jahr abgeschlossen, noch einmal eröffnet und die drei Frauen aus Zeuginnen geladen wurden. Sicherheitshalber sagt Farrow erst am 9. August aus.

Die inzwischen 65-jährige Farrow, die noch immer über einen mädchenhaften Charme verfügt, hat ihr Leben seit ihrer Trennung von dem Filmregisseur Woody Allen Mitte der 90er Jahre dem Kampf für die Kinder und gegen das Unrecht in Afrika gewidmet. Dass der Konflikt im westsudanesischen Darfur in den USA als Völkermord wahrgenommen wurde, ist nicht zuletzt auf Farrows Engagement und das ihrer Kollegen George Clooney und Don Cheadle zurückzuführen. Farrow macht dem US-Präsidenten Barack Obama schwere Vorwürfe, dass er offenbar nicht bereit ist, die Armee oder zumindest massenhaft UN-Blauhelme in die Region zu schicken. Farrow kennt das Geschäft des politischen Aktivismus – und niemand sollte sie unterschätzen. Im drei Jahre dauernden Sorgerechtsstreit mit Woody Allen warf Farrow ihrem langjährigen Lebensgefährten, der unterdessen eine Adoptivtochter Farrows geheiratet hatte, vor, die gemeinsame Adoptivtochter Dylan missbraucht zu haben. Ein Vorwurf, den Allen stets bestritten hatte und der nie vor Gericht kam. Allerdings gewann Farrow den Sorgerechtsstreit. Sie war lang vor der Supermutter Angelina Jolie die amerikanische Supermutter. Neben ihren vier leiblichen Kindern hat sie im Laufe ihres Lebens elf Kinder adoptiert, die letzten sechs nach ihrer Trennung von Woody Allen.

Was Farrow mit ihrer Aussage bezweckt, ist leicht zu verstehen. Seit Jahren kämpft sie dafür, den sudanesischen Präsidenten Omar al Baschir wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen. Tatsächlich hat dieser inzwischen einen internationalen Haftbefehl gegen Baschir ausgestellt. Farrow hat also Interesse daran, dass Baschirs Vorgänger als Großschlächter von Afrika, nämlich Charles Taylor, tatsächlich verurteilt wird. Und dafür fehlt der Anklage vor allem der Beweis, dass Taylor tatsächlich Blutdiamanten besessen hat. Dass er von seinem Besuch in Südafrika über Libyen und Burkina Faso mit einem Flugzeug vollgestopft mit Waffen für die RUF zurückgekehrt ist, scheint dagegen recht eindeutig geklärt zu sein.

Warum Campbell nicht aussagen wollte, lässt sich ebenfalls leicht nachvollziehen. Bei der US-Talkshow-Queen Oprah Winfrey sagte sie, sie wolle nicht in den Fall hineingezogen werden. Sie habe Angst um ihre Familie. Außerdem stellt sich die Frage, was sie mit dem oder den Diamanten gemacht hat, ob sie womöglich noch immer in ihrem Besitz sind.

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