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Der Vorsitzende Richter Jost Holtzmann (M) eröffnet im Gerichtssaal des Landgerichts den Prozess gegen den 48-jährige Angeklagten.

© Arne Dedert/dpa

Prozessauftakt am Landgericht Gießen: Mutmaßlicher Würth-Entführer steht vor Gericht

Am Landgericht Gießen hat der Prozess um die Entführung des Unternehmersohns Markus Würth begonnen. Motiv für die Tat sollen finanzielle Probleme gewesen sein.

Mit der Anklageverlesung hat am Dienstag vor dem Landgericht im hessischen Gießen der Prozess um die Entführung des Unternehmersohns Markus Würth begonnen. Am ersten Verhandlungstag äußerte sich der einzige Angeklagte Nedzad A. zunächst nicht zu den Vorwürfen. Würth war im Juni 2015 entführt worden und wurde einen Tag später unterkühlt, aber wohlbehalten an einen Baum gefesselt bei Würzburg gefunden.

"Im September 2014 fassten A. und die anderen Täter den Beschluss, ihre erheblichen finanziellen Probleme zu beheben", sagte Staatsanwalt Frank Späth zum Motiv des Angeklagten. Späth wirft A. erpresserischen Menschenraub vor. Er soll Würth zusammen mit bislang unbekannten weiteren Tätern aus dem hessischen Schlitz entführt und von der Familie drei Millionen Euro als Lösegeld gefordert haben.

Am 17. Juni hätten A. und die anderen Täter Würth auf dem Weg zum Mittagessen in seiner Wohneinrichtung abgefangen und in ihre Gewalt gebracht. A. habe die geplante Geldübergabe organisiert und im Kontakt zur Familie Würth gestanden. Zur Kontaktaufnahme seien mehrere Surfsticks und Handy-Prepaid-Karten gekauft worden. A. habe bereits wenige Stunden nach der Entführung den ersten Kontakt zur Familie aufgenommen.

"Er rief in einem Hotel an, welches der Mutter gehört, und gab sich als Dr. Hassan aus dem Krankenhaus Fulda aus", sagte Späth. Als er gesagt habe, dass Würth schwer verletzt sei, habe er die private Handynummer der Mutter erhalten. Anschließend habe er sie mehrmals kontaktiert. In einem Telefonat habe er gedroht, sich und den Sohn umzubringen, falls das Geld nicht übergeben werde.

Am späten Abend habe A. erneut mit der Familie telefoniert und Anweisungen gegeben, wie die Geldübergabe organisiert werden solle. Obwohl die Familie Würth das Lösegeld bereits organisiert habe, sei es wegen Verzögerungen in der Organisation nicht dazu gekommen. Daraufhin habe A. am 18. Juni erneut angerufen und die genauen Koordinaten mitgeteilt, wo Würth zu finden sei.

Während Späth am Dienstag die Anklage verlas, saß A. mit leicht hängenden Schultern neben seinem Anwalt und unterhielt sich hin und wieder mit ihm. Viel ist über A. nicht bekannt. Zuletzt lebte der 48-Jährige in Offenbach. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seit März sitzt er in Untersuchungshaft.

Manuela Lützenkirchen, Vertreterin der Nebenklage, sprach von einem "Indizienprozess". Tatsächlich stützt sich die Anklage lediglich auf ein Gutachten, das auf einer Stimmaufzeichnung aus einem der Erpresseranrufe basiert. Mit dieser Aufnahme fahndete die Polizei 2017 öffentlich. Eine Frau erkannte darin ihren Handwerker. Laut Gutachten ist auf der Aufnahme A.s Stimme zu hören.

Wie viele Mittäter A. hatte und wer sie sind, ist weiterhin unklar. "In einer ersten Vernehmung hat er sich wortreich geäußert, die Vorwürfe bestreitet er jedoch", sagte Thomas Hauburger, Sprecher der Staatsanwaltschaft Gießen. Seitdem habe A. keine Angaben mehr gemacht. Ob er sich im Prozess dazu äußern wird, ist unklar. Mit einem Urteil ist erst im Dezember zu rechnen. (AFP)

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