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Dati

© AFP

Rachida Dati: Alles nach Plan

Frankreichs Justizministerin saß fünf Tage nach der Geburt ihrer Tochter wieder am Kabinettstisch.

Kann man so etwas machen? Darf man es – aus gesundheitlicher, psychologischer und rechtlicher Sicht? Muss man es vielleicht sogar, wenn man an der Macht bleiben will? Die Meinungen waren nicht nur in Frankreich ausgesprochen geteilt, als bekannt wurde, dass Justizministerin Rachida Dati (43) fünf Tage nach der Geburt ihrer Tochter Zohra wieder am Kabinettstisch saß, aufregend gekleidet, mit neuer Frisur und auf hohen Absätzen. Aus der Politszene kam anerkennende Zustimmung, nicht nur von Bernadette Chirac, sondern auch von Sarkozys Ex-Rivalin Ségolène Royal. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten, die selbst Ministerin war und vier Kinder hat, hält Datis schnelle Rückkehr aber auch für die Folge von besonderem Druck seitens des Präsidenten Nicolas Sarkozy. Tatsächlich war zwischenzeitlich von einer Ablösung Datis als Ministerin die Rede gewesen.

Selbst in Frankreich, wo die Geburtenrate deutlich höher liegt als in Deutschland und wo Karriere und Kinder, Mutterschaft und modischer Schick schon länger als gut vereinbar gelten, ist Datis Tempo vielen nicht geheuer. Rein rechtlich ist eine derart blitzartige Rückkehr an den Schreibtisch normalen Arbeitnehmerinnen sogar verboten, denn im zweiten Teil des Mutterschutzes, nach der Entbindung, gilt auch in Frankreich ein absolutes Beschäftigungsverbot. Im deutschen Mutterschutzgesetz heißt es ebenfalls, dass in dieser Zeit Frauen auch dann nicht beschäftigt werden dürfen, wenn sie dafür bereit wären. Die gesamte Mutterschutzzeit soll demnächst auf EU-Ebene sogar auf 18 Wochen ausgeweitet werden.

Rein medizinisch gibt es dabei im Normalfall keine Bedenken gegen die frühe Rückkehr an einen Arbeitsplatz, der keinen hohen körperlichen Einsatz erfordert. Auch nicht nach einem Kaiserschnitt, wie die Justizministerin ihn hatte. „Durch die modernen sanfteren Operationsmethoden geht es den Frauen danach deutlich besser als früher. Sie bedienen sich bei uns in der Klinik schon am nächsten Tag selbst am Frühstücksbuffet und können drei bis vier Tage nach der Entbindung die Klinik verlassen“, erzählt Michael Abou-Dakn, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe am St.-Joseph-Krankenhaus in Berlin- Tempelhof. Auch dass sie das strahlend, aufrechten Gangs, schlank und gut gekleidet tun, ist kein Ding der Unmöglichkeit. „Mit bewusster Ernährung und einem vernünftigen Fitnessprogramm während der Schwangerschaft ist das zu schaffen“, sagt Klaus Vetter, Chefarzt der Geburtshilfe am Vivantes-Klinikum Neukölln.

Abou-Dakns Bedenken sind denn auch anderer Art. „Gerade viele Frauen, die beruflich wichtige Funktionen ausfüllen, wünschen sich einen Kaiserschnitt, damit die Entbindung besser in ihren Terminkalender passt.“ Abou-Dakn kann das gut nachvollziehen, er hat Respekt vor den beruflichen Leistungen dieser „älteren“ Mütter und findet es abwegig, ihnen als Arzt Vorschriften machen zu wollen. „Frau Dati demonstriert mit ihrem ganzen Auftreten Selbstbestimmung“, sagt auch sein Kollege Klaus Vetter. „Es besteht allerdings auch die Gefahr, dass diesen Frauen etwas verloren geht“, findet Abou-Dakn. „Das Schöne an einem Kind ist doch, dass es eine gewisse Unruhe und Unplanbarkeit ins Leben seiner Eltern bringt, auch wenn das sehr strukturierten Erwachsenen oft Angst macht.“

Mit dem Terminkalender oder Blackberry in der Hand ist es schwieriger, die Chance auf solche neuen Erfahrungen zu nutzen. „Die ersten Tage sind dabei für den Aufbau der Beziehung zwischen Mutter und Kind ganz, ganz wichtig“, sagt der Kinderarzt Frank Jochum, Chefarzt der Neugeborenenmedizin im Evangelischen Waldkrankenhaus Spandau. Er verweist auf neue Ergebnisse aus der Bindungsforschung, die beweisen, wie stark die frühe Eltern-Kind-Beziehung die Gehirnentwicklung des Kindes prägt. Der Neugeborenenmediziner fände es bedenklich, wenn das Beispiel der französischen Justizministerin Schule machen und andere Frauen unter Druck setzen würde.

Adelheid Müller-Lissner

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