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Panorama: Rätsel im Bild

Ein Foto geht um die Welt – aber ist es echt? Neue Theorie: Der Computer ist schuld

Von Andreas Oswald

DIE COLUMBIA-TRAGÖDIE – TRAUER, TROTZ UND TRÄNEN

Von Rainer W. During

und Andreas Oswald

Das Bild entstand elf Tage vor der Columbia-Katastrophe und ging jetzt um die Welt. Ob es sich bei den dunklen Streifen tatsächlich um Risse auf der Unterseite der linken Tragfläche handelt, schließen indessen immer mehr Experten aus. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Tragfläche der Columbia ist", sagte der Projektleiter Raumfahrt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Klaus Berge, dem Tagesspiegel.

Auch der ehemalige deutsche Astronaut Ulrich Walter bezweifelt die Richtigkeit der Angaben zu dem Foto, das nebenstehend abgebildet ist. Walter saß selbst zehn Tage lang in der Columbia, das war 1993. Dem Tagesspiegel erklärte er, dass man aus den Fenstern die Unterseite des Flügels gar nicht sehen und aufnehmen kann. Was das Foto zeigen könnte, sei ein Teil der Nutzlastenbox. „Ob es dort im Metall einen Riss gibt oder nicht, ist völlig unerheblich, weil es keinerlei Einfluss auf den Flug und die Landung hat“, sagte Walter. Walter, der zur Professur für Raumfahrttechnik an der TU München berufen ist, war am Montagabend auch bei Reinhold Beckmann im Fernsehen aufgetreten.

„So ein Riss kann nur in Metall entstehen, die Tragfläche ist aber bedeckt mit den 30 mal 30 Zentimeter großen Hitzeschutzkacheln", erklärte DLR-Projektleiter Berge. Was tatsächlich auf dem Bild zu sehen sei, vermöge er nicht zu sagen. Die Deutsche Presse-Agentur hat das Foto inzwischen wegen „fragwürdiger Glaubwürdigkeit“ zurückgezogen. Die Aufnahme stammt aus dem Videofilm, der während eines Gespräches des ersten israelischen Astronauten Ilan Ramon mit dem israelischen Staatspräsidenten Ariel Scharon aufgenommen wurde. Bei einem Schwenk der Kamera wurden nach dem Unglück im Hintergrund die vermeintlichen Risse entdeckt. Standfotos des zuerst im israelischen Fernsehen gezeigten Videos wurden von den Nachrichtenagenturen rund um den Erdball verbreitet.

Dagegen verdichten sich die Anhaltspunkte dafür, dass die Katastrophe das Resultat einer Fehleinschätzung der Nasa-Experten am Boden ist. Fest steht, dass sich nach dem Start ein etwa 40 mal 50 Zentimeter großes Schaumstoffstück von der Verkleidung des Zusatztanks gelöst hatte und gegen die linke Tragfläche geprallt war. Die Nasa hatte dem Vorfall keine besondere Bedeutung beigemessen. Bereits 1997 hatte der NASA-Ingenieur Gregory N. Katnick davor gewarnt, dass sich lösende Schaumteile der Tankverkleidung die Hitzeschutzkacheln beschädigen können. DLR-Experte Berge hält es dagegen für „technisch nicht vorstellbar", dass der eher weiche Schaum, der zur Isolierung des Zusatztanks dient, gravierende Schäden verursachen kann. „Nach jedem Shuttle-Flug fehlen 50 bis 100 Kacheln", sagte Berge. Meist sei deren Verklebung nicht in Ordnung. Dies sei fast normal und immer an Stellen aufgetreten, wo es ohne große Bedeutung war. Gefährlich werde ein solcher Schaden an brisanten Teilen, die während des Wiedereintritts in die Atmosphäre Extremtemperaturen von 1800 Grad ausgesetzt sind. Dazu zählen Bugnase und Tragflächenvorderkanten, aber auch die Unterseite der Fähre. Hier sind die Kacheln mit fünf Zentimetern am dicksten. Die Sensoren hatten kurz vor dem Unglück erhöhte Werte am linken Fahrwerk angezeigt. „Einen doppelten Kachelschutz gibt es auch in den sensiblen Bereichen nicht", sagt Klaus Berge. Denkbar wäre auch, dass nach dem Temperaturanstieg der Bordcomputer überkompensierte. Es steht fest: Der Bordcomputer hat den Kurs in dieser Phase stark verändert. Was immer die Ursache ist: Fast wie zum Trotz bekräftigte Bush bei der Trauerfeier: „Das Raumfahrtprogramm wird weitergehen“.

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