zum Hauptinhalt

Panorama: Rauchergesetz: Diesmal ist es ernst gemeint - Italiens Gesundheitsminister plant auch Dulder des Rauchens zu bestrafen

Umberto Carnevale, 75, weiß, wovon er redet: der Universitätsprofessor ist Experte für Lungenkrebs und hat in seinem Leben "tausende von Menschen operiert, die an den Folgen dieses säkularen Übels leiden - oft leider vergeblich". Auch Marco Pannella, 70, weiß, worum es geht - der Kettenraucher ist einer jener gut Hundertausend Patienten mit Lungenkrebs, die alljährlich in Italien unters Messer müssen.

Umberto Carnevale, 75, weiß, wovon er redet: der Universitätsprofessor ist Experte für Lungenkrebs und hat in seinem Leben "tausende von Menschen operiert, die an den Folgen dieses säkularen Übels leiden - oft leider vergeblich". Auch Marco Pannella, 70, weiß, worum es geht - der Kettenraucher ist einer jener gut Hundertausend Patienten mit Lungenkrebs, die alljährlich in Italien unters Messer müssen. Trotzdem stehen beide auf den entgegengesetzten Seiten der Barrikaden: Carnevale ist seit zwei Monaten Gesundheitsminister der Regierung Amato und hat einen Gesetzentwurf in Sachen Rauchen durchgesetzt, der an Schärfe auf der ganzen Welt nicht seinesgleichen hat - Pannella, Gründer und Führungsfigur der Radikalen Partei, will trotz seiner anhaltenden Kurzatmigkeit auch noch nach der Entfernung eines Lungenflügels von solchen Verboten nichts wissen - er hält sie für "Prohibitionismus in Reinkultur". Gegen den hat er seit jeher gekämpft.

Versuche, die seit jeher hemmungslos rauchenden Italiener zu Nichtrauchern zu erziehen, hat es seit mehr als anderthalb Jahrzehnten immer wieder gegeben - 1986 wurde das Verbot des Glimmstengelanzündens in öffentlichen Gebäuden erlassen, 1994 sollte Rauch aus allen Espressobars verbannt werden, 1998 schlossen sich die Flughäfen mit weiträumigen Nichtraucherzonen an. Aber das hatte wegen der geringen geldbußen keine Folgen. Zwar melden die Statistiker, daß Italiens Männer von einer zeitweise auf über 67 Prozent reichenden Raucher-Quote auf nunmehr unter 40 Prozent zurückgegangen sind. Dafür aber ist die Zahl rauchender Frauen von 1970 knappen 24 Prozent auf nunmehr fast 45 Prozent geklettert und grassiert derzeit ganz besonders schon im Mädchenalter; Schulkorridore und -toiletten sind mitunter total zugequalmt. Der Zigarettenverbrauch ist insgesamt in den letzten 20 Jahren ziemlich konstant geblieben. Vor allem aber: diejenigen, die dem Laster nicht entsagen, scheinen dem Minister "zunehmend aggressiv in ihren Rauchgewohnheiten".

Dem will Carnevale nun mit aller Entschiedenheit zuleibe rücken. Verboten ist Rauchen grundsätzlich "in allen geschlossenen Räumen, zu denen Publikum Zutritt hat", und das heißt, im Einzelnen: "in allen Ämtern, Büros, Fabriken, Schulen, Hotels Restaurants, Bars, Tanzlokalen, Diskotheken, Zügen, Autobussen, Warteräumen und Korridoren". Wollen Besitzer von Lokalen Rauchen dennoch zulassen, muß dies "in abgetrennten Räumen mit einer besonderen, von staatlichen Stellen überwachten Luftreinigungsanlagen" geschehen. Wobei gilt, dass "für die Einrichtung von Raucherräumen in Gebäuden der öffentlichen Hand keinerlei öffentliche Mittel ausgegeben werden dürfen". Und damit jeder kapiert, dass es nun ernst wird, hat der Minister auch gleich einen Bußgeldkatalog mit eingebaut: Statt der schlappen 8000-15 000 Lire (8-15 DM) Strafe, die bisher auf Nichtbeachtung des Rauchverbots stand, soll nun bis zu umgerechnet 300 DM berappen; derjenige, der für die Einhaltung des Rauchverbots zu sorgen hat (Amtsleiter ebenso wie Barbetreiber oder der ausdrücklich von Firmen zu benennende "Antirauch-Kontrolleur") wird gar mit bis zu 6000 DM Strafe belegt, wenn er den Zündler nicht sofort zur Enthaltung bringt.

Damit hat der Minister aber nun nicht nur die Raucher-Lobby am Hals, sondern auch alle Hotel-, Restaurant- und Barbetreibern: Für viele ist die Einrichtung von klimatisdierten Raucherecken unerschwinglich - eine Pleitewelle droht. So reiben sich derzeit vor allem die Juristen die Hände - "das gibt eine Menge herrlicher Prozesse", freut sich ein Starverteidiger aus Neapel, "da können wir alle Register ziehen, von den Gesetzen gegen Prohibitionismus bis hin zum verfassungswidrigen Einsatz von Kellnern als Hilfsorgane der Polizei zwecks Durchsetzung des Rauchverbots." Und überhaupt: "Was ist denn schon ein geschlossener Raum? Im strengen Sinn reicht es doch, ein großes Fenster zu öffnen und der Raum ist gar nicht mehr geschlossen, Oder? Das Land der Advokaten, soviel ist sicher, wird wohl alles dransetzen, auch in dieser Frage die Schlupflöcher zu finden, noch bevor das Gesetz wirklich in Kraft tritt.

Zur Startseite